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Conor Oberst
s/t
Das hat die Fachpresse nun davon: weil sie Conor Oberst zu früh als Wonderboy abgestempelt hat, bleibt ihr seit "Lifted..." regelmäßig die Spucke weg. Bloß: Oberst ist grandios wie eh und je. Und schert sich einen Dreck um die Öffentlichkeit.
Spätestens seit der Offenbarung "I'm Wide Awake It's Morning" musste es jedem klar sein: die Pubertät ist überwunden, die weinerliche Prosa des Amerikaners Oberst ebenfalls. Und ganz plötzlich schreibt er Songs, auf die selbst Springsteen und Stipe neidisch sind. Spätestens seit dem letzten Album, "Cassadaga", macht Oberst nämlich fast schon archätypischen Folk-Rock. Voller Roots, voller Selbstbewußtsein. Und mit der neuen Kraft schwinden auch die letzten Angst- und Rotwein-Attacken auf großen Festivalbühnen. Was aber bleibt, wenn die Teenage Angst verschwindet, für die man so geliebt wurde? Die Antwort weiß nur der Wind. Und was macht Conor Oberst? Er nimmt ein neues Album auf. Die Frage, warum ausgerechnet außerhalb des Bright Eyes Kontextes, wird auf "Conor Oberst" nur in Nuancen beantwortet. Klar, Mike Mogis ist nicht dabei, aufgenommen wurde in Mexiko, alle ist von der Opulenz Cassadagas weit entfernt. Aber es ist immernoch Conor Oberst, der hier die Songs schreibt. Gleich beim Opener "Cape Canaveral" wird man wehmütig und merkt, warum er eben doch der Wonderboy ist, zum dem ihn jeder machen will. So sanft und doch ausdrucksstark haben nur wenige bisher Songs geschrieben. Das gilt auch für den Text: "I watched your face die backwards / Little baby in my memory / A lonely victory sweet Even deep in the cheap seats". Seit Cassadaga gibt es aber auch Songs, die ein wenig enervierend sind. "Sausalito" ist so ein Beispiel, da fehlt nur noch June Carter und ein Westernhut - zu einfach, zu peinlich ist das Klischee, das Oberst hier feiert. Das gilt auch für den vermeintlich Rock-Stomper "NYC - Gone, Gone", dessen abgenudeltes Riff reichlich verstaubt anmutet. Der Rest allerdings stimmt versöhnlich: "Lenders In The Temple", "Danny Callahan" oder "Milk Thistle" sind nur Beispiele für ein reduziertes, vor Energie aber überbordenes Folk-Rock-Album. Wer weiß, wie oft Oberst noch Wonderboy genannt wird. Sein "Blonde On Blonde" und "Blood On The Tracks" steht ja noch aus. "Conor Oberst" verströstet die Wartezeit bis dahin vorzüglich.
/ Spielzeit: 42:03 / Folk-Rock