Wegweiser durch sellfish.de

independent online music  |  info@sellfish.de

Calexico

Carried To Dust

Calexico.jpg

Auch wenn Calexico mit „Garden Ruin“ vor zwei Jahren alles andere als ein schlechtes Album veröffentlicht haben und mit „All Systems Red“ sogar einer ihrer größten Songs bei rum kam, war die eingeschworene langjährige Fangemeine etwas enttäuscht. Es fehlte ein wenig der Fluss und die Stimmung vorangegangener Werke. „Carried To Dust“ macht dies allerdings sofort wieder vergessen.
Und wirft zudem die Frage auf, wann die UNESCO Calexico endlich für ihre Archivierungskünste mittelamerikanischer Musiktraditionen zum Weltkulturerbe erklärt. Aber Spaß beiseite, denn das würde die Band aus Tucson, Arizona, um Joey Burns und John Convertino älter dastehen lassen als sie ist und wenn eines gibt, das „Carried To Dust“ beweist dann das, dass noch ordentlich frisches Blut durch Calexico zirkuliert. Und das nicht nur deshalb, weil sich auf der ungezählten Veröffentlichung der Truppe wieder jede Menge Gastmusiker eingefunden haben, sondern auch weil Joey Burns wieder zu alter Songwriter-Stärke zurückgefunden hat. Da kann man die schöne Geschichte, dass sich ein Großteil der neuen Songs um den Autorenstreik in Hollywood vor ein paar Monaten dreht, fast als Randnotiz fortwinken. Viel entscheidender ist, dass „Carried To Dust“ 15 Stücke vereinigt, die diesen ganz besonderen Calexico-Geist atmen. Fernab von fröhlicher Südstaatenverklärung wird hier eine Melancholie entfacht, dass einem staubige Landstraßen im gleißenden Licht der texanischen Sonne nur ganz selten einfallen. Schon eher irgendwelche Alltagsdramen aus New Mexico. Bereits der Opener „Victor Jara’s Hands“ vereint alles, was die Band ausmacht. Schleichende Nachdenklichkeit und tänzelnde Überschwänglichkeit, englisch-spanische Vocals und eben das besondere atmosphärische Etwas. „House Of Valparaiso“ mit einem dezenten Gastauftritt von Iron & Wine’s Sam Beam ist bezaubernd, die Single „Two Silver Trees“ sowieso. Ausfälle gibt es keine. Auch wenn das ein wenig übertrieben erotisch klingt: Bei den Mitgliedern von Calexico hat man immer das Gefühl, dass sie ihre Instrumente nicht spielen, sondern streicheln. Wie John Convertino den Besen über sein Schlagwerk zieht, wie Joey Burns aus der Gitarre nicht einfach nur Riffs und Melodien herauskitzelt und überhaupt wie hier mit Stimmen umgegangen wird, ist eine andere Liga. Dass die beiden Calexico-Köpfe und ihr internationales Ensemble aus Bläsern, Streichern und filigranen Saiten-Checkern nicht zu elenden Muckern verkommen, ist die große Leistung dieser bescheidenen Genies. Genauso wie die Tatsache, dass bei all den Americana-Einflüssen und Bezügen zu Kulturen südlich von Tucson keine klischeebeladene Klang-Postkarte entsteht, die man ohne groß nachzudenken in die Weltmusik-Abteilung steckt, sondern etwas ganz Eigenes, das wieder ganz nah dran ist an ihrem Meilenstein „Feast Of Wire“.

Bewertung: 98 von 10 Sternen / Spielzeit: 45:23 / Americana p

Autor:

 

verwandte Artikel bei sellfish.de:

 

Calexico - Two Silver Trees





ERROR!