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Sarcevic, Nikola (Millencolin)
Monopoly Songs
Auch wenn überraschend wenig Menschen davon Notiz genommen haben: das erste Soloalbum von MILLENCOLIN-Sänger und Bassist NIKOLA SARCEVIC ist eine kleine Singer-/Songwriterperle geworden.
"Lock-Sport-Krock" (Burning Heart/SPV) ist alles andere als ein liebloser Pausenfüller für den vielbeschäftigten Schweden, der mir bei unserem Telefoninterview in sympathisch gemächlichem Tempo ausführlich Rede und Antwort stand...
Nikola, hast du schon lange die Idee in dir getragen, ein Songwriteralbum zu machen?
Ich wollte schon seit einer Weile musikalisch mal etwas anderes probieren. Die Idee kam mir zum ersten Mal, als ich 1998 das Soloalbum von KRISTOFER ASTRÖM gehört habe. Ich habe dann auch auf seiner ersten Tour Bass gespielt. Die ganze Sache hat mich sehr inspiriert, denn genau das ist die Art Musik, die ich mir auch selbst meistens anhöre. Kristofer hat mich zudem auf viele andere Bands gebracht, wie zum Beispiel die RED HOUSE PAINTERS, BOB DYLAN, SIMON AND GARFUNKEL, HANK WILLIAMS oder ELLIOTT SMITH, der mich beim Songwriting ebenfalls sehr beeinflusst hat. Und weil ich nun all diese Sache höre, war es ganz natürlich ein solches Album aufzunehmen. Es fühlt sich irgendwie schon etwas komisch an, weil ich so was noch nie zuvor gemacht habe. Es war schon eine große Herausforderung. Aber dann hat sich alles doch irgendwie von selbst ergeben.
Dann bist du glücklich mit dem Resultat?
Ja, definitiv. Den anderen MILLENCOLIN-Mitgliedern gefällt es auch und sie sagen, ich hätte gute Arbeit abgeliefert. Sie unterstützen mich voll.
Was ist für dich die optimale Situation um sich "Lock-Sport-Krock" anzuhören?
Vielleicht abends beim Autofahren… it's a driving-record. Ich höre das Album jedenfalls bei mir im Auto. Aber es passt bestimmt auch gut zum Monopoly-Spielen…
… also ich finde nicht, dass es Hintergrundmusik ist.
Ja, hoffentlich kann man es sich auch nur anhören, ohne etwas anderes zu tun. Ich weiß es nicht.
Die Texte sind allesamt sehr persönlich und ernst (neben vielen Liebesliedern geht es auch um Nikolas verschwundenen Bruder, Anm. d. Verf.). Ein großer Unterschied zu MILLENCOLIN… aber sprichst du überhaupt gerne über die Texte?
Naja, bis zu einem gewissen Grad sind Lyrics auch nur Lyrics. Ich habe zwar nicht unbedingt das Bedürfnis darüber zu sprechen, denn jeder kann sie lesen und hoffentlich etwas damit anfangen. Aber wenn jemand etwas wissen will, kann ich die Frage meistens beantworten. Alles auf "Lock-Sport-Krock" basiert nicht auf meinen eigenen Erfahrungen (glaube ich nicht!, Anm. d. Verf.). Ich kann über Erlebnisse sprechen oder mir einfach Stories ausdenken. Das entscheidende ist aber, dass der Text zur Musik passt. Der Rest ist unwichtig.
Ist dein Album eine Art Reaktion auf das Fun-Image, welches MILLENCOLIN ja immer noch anhaftet?
Ich denke es ist eine Reaktion auf alles, was mit MILLENCOLIN zu tun hat… (zögert)… na ja, nicht alles, aber die Musik alleine ist schon komplett anders. Meiner Meinung nach muss ein Soloalbum auch etwas anderes sein, sonst hätte man es ja auch einfach mit seiner Band aufnehmen können. Das ist ja der Sinn der Sache: die Möglichkeit zu haben, nur das zu machen, worauf man Lust hat. Das betrifft auch den ganzen Aufnahmeprozess: wir haben komplett anders gearbeitet. Normalerweise Üben und Proben wir ewig, bevor es ins Studio geht. Diesmal war alles völlig spontan, alle waren entspannt. Ich kannte zwar die Arrangements, aber wir haben im Studio noch vieles verändert, sobald jemand eine gute Idee hatte. Mit MILLENCOLIN waren wir zwar mit den ersten Alben sehr kreativ und hatten viel Spaß… aber ohne sagen zu wollen, dass es mit den Jungs langweilig im Studio ist, war diesmal eben vieles anders. MILLENCOLIN ist inzwischen eben eine mehr oder weniger professionell funktionierende Band geworden. Wir wissen, wie man effektiv arbeitet, aber dabei geht vielleicht auch ein wenig der Spaß bzw. die Spontaneität verloren. Ich wollte das Gefühl der Anfangszeit wieder einfangen und ich glaube, das ist uns gelungen.
Mich hat überrascht, dass Leute von den PEEPSHOWS, BOMBSHELL ROCKS und NASUM auf deinem Album mitspielen. Das ganze ist doch ein gutes Stück von dem entfernt, was diese Menschen sonst so musikalisch treiben…
Die Sache ist, dass in musikalischer Hinsicht hauptsächlich Henrik Wind von den PEEPSHOWS dem Album seinen Stempel aufgedrückt hat: er spielte einen Großteil der Instrumente ein und war auch an der Produktion beteiligt. Er war Mod, hört viel Sachen aus den Sechzigern und ist sehr talentiert. Ich bin ihm sehr dankbar für die Unterstützung, die er mir gegeben hat.
Auf dem Backcover des Albums findet sich ein Logo von "Stalemate Music".
Ja, das ist mein kleines Label bzw. meine kleine Company. Bis jetzt habe ich sie nur für das Soloalbum gegründet, aber vielleicht kann ich das in der Zukunft mal für andere Veröffentlichungen gebrauchen. Aber ich habe mir noch keine großen Gedanken darüber gemacht. Es ist einfach nur so eine Art Etikette.
Wirst du mit dem Album auf Tour gehen?
Noch steht nichts fest, aber wir haben schon geprobt und werden in ein paar Tagen auf der Releaseparty spielen. Alles weitere wird sich herausstellen. Wenn es sich gut anfühlt, gibt es vielleicht noch ein paar mehr Shows. Bis jetzt ist alles offen, aber solange wir Spaß daran haben, kann ich mir eine kleine Tour durchaus vorstellen.
Okay. Aber auf der Releaseparty werdet ihr als Band auftreten? Ich könnte mir vorstellen, dass die Songs nur mit Stimme und Gitarre auch funktionieren.
Ja, aber dann müsste ich wahrscheinlich noch Gitarrenunterricht nehmen. Ich spiele zwar Akustikgitarre, aber werde noch von den anderen Musikern an Schlagzeug, Bass und Piano unterstützt. Diesen Backup brauche ich wohl auch, denn viele der Stücke sind eben vielschichtig instrumentiert. Vielleicht funktioniert das Material wirklich auch in einer reduzierten Version, momentan fühle ich mich dafür aber noch nicht sicher genug.
Michael Streitberger