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Donots Interview

Nie wieder Chamäleon spielen

 

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Donots: Schluss mit Schadensbegrenzung.

Ruhig war es in den letzten Jahren geworden um die Donots, die fünf Herren aus Ibbenbüren Rock City. So mancher hatte vielleicht sogar schon vergessen, dass es die Band überhaupt noch gibt. Das letzte Studioalbum „Got The Noise“ datiert immerhin aus dem Jahr 2004 und wo damals die Donots auf dem Thron saßen, schwingen heute die Beatsteaks das Zepter. Irgendwo im Labyrinth zwischen Punk, Rock und Pop, in dem man sich schon mal verlaufen kann. Einmal falsch abgebogen und schon lauert da die Major-Falle. Zurück auf Null geht aber auch nicht, da steht die Szenepolizei mit verschränkten Armen im Weg. Was also tun?

Die Donots haben sich erst einmal freigenommen und über ihr bisheriges Schaffen nachgedacht. Um dann festzustellen, dass man den bisher eingeschlagenen Weg definitiv nicht mehr so weiter gehen will. Sie hatten - dem neuen Albumtitel nach zu deuten - keine Lust mehr das anpassungsfähige Chamäleon zu spielen. Ihre Alben waren ihnen selbst zu glatt geworden und die Promo-Maschinerie von Gun Records war ihnen noch nie geheuer. Logische Konsequenz: Dem Major den Rücken kehren und mal was Neues probieren. Deshalb erscheint „Coma Chameleon“ über das eigene Label Solitary Man Records und die Produzenten-Credits dürfen sich Blackmail-Gitarrist und Produzenten-Tausendsasa Kurt Ebelhäuser und Vincent Sorg, Donots-Produzent anno 1998, teilen. Promotion-Profis sind sie aber natürlich noch immer und deshalb reisen Teile der Donots im Vorfeld der Veröffentlichung des siebten Albums durch Deutschland, um kräftig die Werbetrommel zu rühren.

Heute sind Ingo Knollmann (Gesang, Tasten), Alex Siedenbiedel (Gitarre) und Eike Herwig (Schlagzeug) in Nürnberg beim Musikmagazin Rock City News (rcn) zu Gast. An der Wand hängen Daniel Küblböck, Falco und andere Schreckgespenster der Musikgeschichte. Die drei Herren sind trotzdem gut drauf. Etwas müde, dennoch spürbar voller Tatendrang und sichtlich stolz auf ihr neues Werk, über das sie und die Geschichte dazu auch bereitwillig Auskunft geben. Am Anfang steht natürlich die Frage nach dem Abschied vom Majorlabel.

Was waren denn die Gründe Gun Records zu verlassen?
Alex: Wir wollen im Nachhinein nicht alles verteufeln, was da gelaufen ist, aber es war letztendlich einfach nicht mehr cool, wie da zusammengearbeitet wurde und man trägt so was ja auch immer als Hausnummer mit sich herum.

Ging es da letztendlich auch um so etwas wie „künstlerische Freiheit“?
Ingo:
Naja, wir haben ja die ersten fünf Jahre die Band auch irgendwie ohne großes Label im Rücken gemacht und es war damals auch nicht so, dass wir mit voller Begeisterung unterschrieben haben. Es war halt einfach der nächste Schritt und dann haben die uns gleich so ins kalte Wasser geworfen, dass wir gleich mal alles an Promoterminen abgesagt haben, weil wir Angst hatten in eine bestimmte Ecke gedrängt zu werden.
Alex: Das erste Promoschreiben war dann gleich ein richtiger Griff ins Klo, der eigentlich schon damals richtungsweisend war und alle Vorurteile bestätigt hat.
Ingo: Da stand dann auf einer Doppelseite im Booklet des „Crossing All Over“-Samplers so was wie „Keiner über 18 Jahre alt und schon verhaften sie Millionen von Frauenherzen“ und wir dachten uns: Jetzt müssen uns unsere bisherigen Fans alle für total bescheuert halten. Da bist du vorher nicht mal gefragt worden, ob wir den Text so stehen lassen wollen.
Alex: Da merkt man als junge Band oft gar nicht, was da alles so passiert und unser Widerstand kam halt nicht von ungefähr.
Ingo: Das waren dann immer so Last-Minute-Beschlüsse, wo du eigentlich nur noch Schadensbegrenzung betreiben konntest und entscheiden musstest, ob du es schlimm oder richtig schlimm haben willst.
Alex: Das mit der künstlerischen Freiheit wird nicht konkret festgehalten, aber es ergibt sich einfach aus Rahmenbedingungen. Wir hatten zuletzt auch nicht den Zwang ein Album zu machen, aber wir konnten einfach nicht mehr von uns aus befreit an neue Sachen herangehen.

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"Das ist, wie wenn jemand für dich spricht, der aber überhaupt nicht das sagt, was du denkst."

Ihr konntet euch also nicht wie andere Bands mit diesem Zustand arrangieren?
Alex:
Klar, hat man vielleicht mal einen Moment darüber nachgedacht, aber dafür ist die Band letztendlich nicht da. Da geht es um dieses gute Gefühl und als das nicht mehr da war, ging es nicht mehr weiter. Andere Bands machen ihren Partypunkrock und perfektionieren das vielleicht mit der Zeit und können damit leben. Wir haben erst mit einem Album gegen die Situation angekämpft und haben sie dann mal ein Album gewähren lassen. Der Vorwurf von Gun Records war ja immer: „Ihr lasst uns nicht machen.“ Und dann haben wir die mal machen lassen und ach du scheiße... (schlägt die Hände über dem Kopf zusammen). Wenn dir das dann richtig dein Leben versaut, das ist doch scheiße. Das ist, wie wenn jemand für dich spricht, der aber überhaupt nicht das sagt, was du denkst.

Eike: Andere Leute machen halt eine Band, um Geld zu verdienen, aber das ist nicht unser Ding. Deshalb haben wir beschlossen, dass wir uns von all unseren Strukturen trennen müssen und einen kompletten Neustart wagen müssen und das war die beste Entscheidung, die wir jemals getroffen haben.
Alex: Klar ist, dass uns die Situation auf dem Label viel geholfen, aber eben auch viel geschadet hat. Natürlich profitieren wir von der Zeit auf dem Major und können uns auch deshalb jetzt relativ befreit auf eigene Füße stellen. Eine neue, junge Band kann das nicht, die kennen sich nicht aus, haben nicht die nötigen Kontakte und konnten auf so einen Schritt auch nicht sparen, wie wir das getan haben. Das ist auch kein Patentrezept für jede Band.

Gutes Stichwort: Ist ja eigentlich witzig, dass eine befreundete Band wie Muff Potter in der Zwischenzeit genau den Schritt in die andere Richtung macht und einen Vertrag beim Majorlabel unterzeichnet.
Ingo:
Genau, deswegen muss man das eben immer von Fall zu Fall sehen. Wir haben bei der neuen Platte auch noch ein paar Labels angefragt und dann aber einfach festgestellt, dass es für uns keinen Mehrwert hat. Im Gegensatz dazu haben Muff Potter mit Huck’s Plattenkiste jahrelang alles alleine gemacht und Nagel hat sich haushoch verschuldet, um Platten an den Start zu bringen. Genau so eine Existenzangst macht natürlich gute Texte, aber es kann halt auch so ein pain in the neck sein, dass alles zu spät ist.
Alex: Da macht das halt absolut Sinn, dass dir nach all den Jahren endlich mal einer ein bisschen Arbeit abnimmt und das finanzielle Risiko trägt.
Eike: Es ist ja auch gar nicht so verkehrt mal so einen Testballon starten zu lassen und für ein Album beim Major zu unterschreiben, um auch mal neue Leute kennen zu lernen und all das. Aber bei uns waren es am Ende dann acht oder neun Jahre, in denen man auch immer mit dem selben Team zusammengearbeitet hat und immer die selben Diskussionen geführt hat. Wir hatten gute Zeiten, aber irgendwann waren bei manchen Diskussionen die Fronten so verhärtet, dass man noch hundert Mal hätte darüber streiten können.
Ingo: Für die ist das halt das Größte, wenn die uns das bullet of the week bei RTL2 besorgen können und für uns wäre es das Tollste, wenn wir in England vor Hot Water Music auf Tour gehen könnten. Beides wirkt sich letztendlich auf die Band aus, nur das eine nützt eigentlich nur dem Label und das andere würde uns glücklich machen. Da wird das Geld einfach an falschen Posten investiert. Jetzt können wir das Geld wenigstens selbst rausschmeißen (lacht).
Alex: Es gab nicht wenige, die gesagt haben, was wir machen ist nicht nur ein Wagnis, sondern Selbstmord, aber für uns ist das halt ein Jungbrunnen und genau das, was wir tun möchten.

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"Es gab nicht wenige, die gesagt haben, was wir machen ist Selbstmord."

Sprechen wir über das neue Album: Warum habt ihr euch für Kurt Ebelhäuser als Produzenten entschieden?
Alex:
Er ist ein Freund geworden über die Jahre, man ist sich oft bei Festivals über den Weg gelaufen und er hat schon immer gesagt: „Jungs ich möchte mal eine Platte mit euch machen, das ist eine echte Herausforderung, ihr seid eine geile Band, ihr seid super Typen, aber eure Platten gehen gar nicht!“ (alle lachen) Und als wir dann gerade nach der Trennung von Gun Records in der Findungsphase waren, hat uns Kurt angeboten, dass wir einfach eine Woche umsonst vorbei kommen sollen, um zu testen, ob das funktioniert und wir waren danach alle so beseelt und auf 180, dass klar war, dass wir zusammen arbeiten werden.

Hat er vor allem am Sound geschraubt oder auch mit euch am Songwriting gefeilt?
Eike:
Beides. Als Band ist man nach all den Jahren logischerweise ein bisschen festgefahren und hat seine festgelegten Schemen und Kurt hat uns da eben neue Ansätze aufgezeigt.
Alex: Bei einem Song hat er gesagt: „Das ist super, aber ihr spielt den falsch. Spielt ihn doch mal langsamer und unverzerrt.“ Und dann ist dabei die heutige Form von „Stop The Clocks“ herausgekommen. Wir haben Schlösser geliefert, er hat sie aufgesperrt.
Ingo: Er denkt halt vielmehr um die Ecke und sucht selten den direkten Weg zum Ziel.
Eike: Am Anfang gab es Vorschläge mit denen sind wir nicht klargekommen und da haben wir ihm auch gesagt, dass uns seine bisherigen Produktionen immer zu sehr nach Blackmail geklungen haben und dann hat er nachgefragt: „Jungs, meint ihr das wirklich?“ Das war auch für ihn total wichtig so was gesagt zu bekommen und dass jetzt bestimmte Passagen auf dem Album dennoch ganz deutlich seine Handschrift tragen, ist ja auch gar nicht schlimm.

Beim Song „Headphones“ gibt es einen Teil mit Sprechgesang, wie kam es denn dazu?
Ingo:
Wir haben generell versucht einfach in jeden Song noch so ein paar extra Ideen einzubauen, das ganze noch intensiver zu machen und bei dem Stück hatten wir uns gedacht, so ein Sprechgesang mit englischem Akzent im Stile von The Streets wäre geil und dann hat Kurt einfach Daniel Pickersgill angerufen, einen gestrandeten Engländer in Deutschland und der hat einen meiner Texte dann einfach zweimal eingesprochen und die erste Version davon haben wir gleich genommen.

Ein anderer Song, der besonders heraussticht ist „Somewhere Someday“, in dem ihr mit Country-Elementen experimentiert.
Ingo:
Das ist für mich der wichtigste Track, weil ich sehr countryaffin bin und Guido ebenfalls.
Alex: ich zum Beispiel überhaupt nicht, obwohl der Song von mir stammt (lacht).
Ingo: Kurt kannte da auch wieder jemand und hat einfach Jürgen Schmidt, einen Mitte 50-Jährigen ins Studio geholt, der Gitarre auf Countryfestivals spielt und so was muss man ja echt können, sonst klingt das nach Mist. Weil er nicht gern unter Beobachtung arbeitet, hat uns Kurt dann aus dem Studio rausgeworfen. Und irgendwann konnten wir es dann aber auch nicht mehr abwarten, weil wir von außen schon ein paar Töne gehört haben und ich bin zurück ins Studio und mir kamen die Tränen, weil es das Schönste war, was ich seit Langem gehört hatte.

Steht der Song ganz am Ende, weil ihr Angst hattet, damit Leute zu verschrecken? (alle lachen)
Alex:
Nee, die Reihenfolge stand eigentlich relativ schnell fest und der Song rundet eben alles so schön ab.
Ingo: Vor allem weil dann noch danach Walter Schreifels mit einer Akustikgitarre ein Stück anspielt.
Alex: Ja und es endet vor allem mit einem Lacher und Ingo ist dann irgendwann aufgefallen, dass das Album auch mit einem Schmunzeln beginnt, wenn Pete Vuckovic von 3 Colours Red das Intro spricht. Das war aber keine Absicht, sondern ein sehr schöner Zufall.

Schade, man hätte noch einige Fragen gehabt, aber die drei müssen eigentlich schon längst weiter zum nächsten Termin. Ob er sich die Hot Water Music-Reunion in Münster im Rahmen der Muff Potter-Geburtstagsparty anschaut, will ich noch von Ingo wissen: „Nein, da sind wir leider selbst auf Tour“, flucht er mit schmerzverzerrten Gesicht und geht dabei in die Knie, als würde ihn das tatsächlich physisch angreifen. Man ist halt offensichtlich immer noch in erster Linie eins: Musikfan. Heute vielleicht mehr denn je. Dann machen sich die Donots auf nach München. Daniel Küblböck bleibt zum Glück hier.

Interview und Text: Sebastian Gloser
Fotos: Pressefreigaben


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