Madsen - Zwischen den Polen

Madsen sind in diesen Tagen gefragt. Denn irgendwie scheint das die Musikszene wieder zu brauchen: eine greifbare Rockband, ja, auch deutschsprachig. Eine mit Profil. Und eine, die wie kaum eine andere Band dazu geeignet sein könnte, zwischen den beiden Polen „Mainstream“ und „Underground“ hin- und herzupendeln. Wir sind Helden haben da, wenn auch unfreiwillig, versagt, weil sie zu etwas stilisiert wurden, dem keine Band gerecht werden kann. Und weil sie akzeptiert haben, sich das Etikett „Deutschrock“ aufdrücken zu lassen. Madsen selbst haben sich der emotionalen Rockmusik verschrieben; nicht mehr, aber auch nicht weniger. Keine Konsumkritik, keine musikalischen Anleihen an Formen, die in dieser Zeit zuhauf wiederbelebt werden. Madsen machen Rockmusik im eigentlichen Sinne.

Das war nicht immer so: Ende der Neunziger, damals noch unter dem Namen „Hoerstuaz“, machte man Musik, die sich schneller totgelaufen hatte als jede andere Musikform. Der Crossover. Nach versiebtem Majordebüt bei BMG wurde die Band zu Grabe getragen, aus ihrer Asche entstand „Madsen“, benannt nach dem Nachnamen drei der fünf Bandmitglieder. Und heute, wieder bei einem Major-Plattenlabel gelandet, sieht die Zukunft endlich rosig aus. Zeit, sich mit Sänger Sebastian und Gitarrist Johannes über altes und neues zu unterhalten.

Ihr werdet gerne als Newcomer Band gehandelt. Ist euch das ganz recht?
Sebastian: Finden wir in Ordnung. Weil vieles für uns neu ist. Wir sind zwar schon durch Deutschland getourt, vor vier bis fünf Jahren, aber in diesem Maße noch nicht. Das ist jetzt unsere erste Headliner Tour. Deswegen finde ich es okay, uns als Newcomer zu bezeichnen.

Ihr habt zum Beispiel im Musikexpress fast Höchstpunktzahl bekommen. Trotzdem werdet ihr immer wieder mit zum Beispiel Tocotronic verglichen. Nervt euch das jetzt schon, wo noch nichtmal das Album veröffentlicht wurde?
Johannes: Generell ist es unangenehm, mit anderen Bands verglichen zu werden.
Sebastian: Wer uns mit diesen Bands vergleicht, der hat wenigstens zugehört. Aber wenn dann Vergleiche mit Sportfreunde Stiller gemacht werden, wird es heikel. Es heisst dann: da ist eine deutsche Welle, da schwimmt Madsen jetzt mit, da singt einer, da ist Rockmusik, also Sportfreunde. Traurig ist das.

Ist euch klar, dass ihr polarisiert?
Sebastian: Ja, das ist uns klar. Böse böse Major-Plattenfirmen und so. Dabei ist es schade, eigentlich sollte nur die Musik für sich sprechen. Und dann gibt es noch die andere Extreme von Menschen, die total überschwenglich sind. Dazwischen gibt es kaum welche, die sagen: ja, Madsen sind ganz okay. Aber das ist auch in Ordnung.

„Ich bin nur das was du mir gibst.“ Ist das ein Aufruf?
Sebastian: Komisch, der Satz wurde schon öfters herausgepickt. Interessant.
Johannes: ...Und auf verschiedenste Art und Weise interpretiert.
Sebastian: Eigentlich war das ein Satz, der mir sehr lange im Kopf herumgespukt ist, mit dem ich irgendetwas machen wollte. Aber er hat eigentlich keinen Bezug zur Band. Ganz konkret hatte ich Straßenkinder vor Augen, die von der Gesellschaft ignoriert und ausgegrenzt werden. „Ich bin nur das was du mir gibst“ meint also, dass ich mich quasi nur verbessern kann, wenn ich die Chance dazu habe.

In euren Texten hat viel Verzweiflung und Angst Platz. Seit ihr so unausgeglichen?
Johannes: Nein. wir eigentlich sehr ausgeglichene Menschen. Gerade im Moment. Aber Sebastian ist, wenn er gerade an einem Text schreibt, sehr unausgeglichen.
Sebastian: Jeder Mensch hat Frust oder negative Gedanken in sich. Auf der Bühne lasse ich alles raus, um im Alltag ausgeglichen zu sein. Das tut einfach extrem gut.

Hat euch eure Heimat, das Wendland, musikalisch geprägt?
Sebastian: Ich glaube, wenn wir in Hamburg oder Berlin groß geworden wären, dann hätten wir auch Musik gemacht.
Johannes: Wir können das auch gar nicht richtig beurteilen, weil wir seit wir klein sind Musik machen.
Sebastian: Uns war viel langweilig. Und da haben wir eben Musik gemacht, während die anderen Fußball gespielt oder am Moped rumgeschraubt haben.

Habt ihr keine Angst, als „Sprachrohr einer Generation“ gehandelt zu werden?
Sebastian: Bis vor kurzen hätte ich nie gedacht, dass es überhaupt jemals dazu kommen könnte. Ich wäre damit überfordert. Ist komisch, dass Menschen immer Etiketten brauchen.
Johannes: Ich glaube, wenn wir diese Etikettierung bemerken würden, würden wir uns auch dagegen wehren.

Und wenn eure Plattenfirma das versuchen würde?
Johannes: Wir haben da soweit vertrauen, dass das nicht passiert.
Sebastian: Im Grunde kleben sie uns nur das Etikett auf, das wir eh schon haben, etwas, das wir sind. In dem Sinn unterstützen sie das auch. Wir sind halt fünf ganz normale junge Menschen, und wenn das unser Etikett ist, dann ist uns das recht.

In eurem selbstverfassten Pressetext über die Bandbiographie habt ihr übereine Kennenlernphase mit der Plattenfirma geschrieben, die euch sehr wichtig war, gerade im bezug auf eure Erfahrungen mit Majors. Wie muss man sich das vorstellen?
Johannes: Der Kontakt kam ja über unseren Manager zustande. Und obwohl wir schlechte Erfahrungen gemacht hatten mit Majors und nie wieder zu einer großen Plattenfirma wollten, waren wir von Universal sehr angetan.
Sebastian: Ganz konkret haben sie uns zuhause besucht, uns von sich erzählt, was sie früher gemacht haben usw., dass sie selber die Musik mögen, die wir machen. Das war uns auch wichtig. Man hat immer gemerkt, dass sie interessiert sind. Der Chef von Universal Rock, Lieberberg, hat mich sogar mal nachts angerufen und mir erzählt, wie sehr ihm die Musik gefällt.

Wäre das Grand Hotel van Cleef für euch auch verlockend gewesen?
Sebastian: Klar, sehr schönes Label. Aber ich hatte immer Angst denen Demos zu schicken, weil ich immer gehört habe, dass sie sehr kritisch sein sollen. Aber als dann Thees Uhlmann den Pressetext geschrieben hat, da waren wir natürlich sehr glücklich.

Ihr habt die Figurines heute abend im Vorprogramm. Habt ihr sie selbst ausgesucht?
Sebastian: Ich dachte ja: endlich können wir uns, weil wir Headliner sind, mal eine Vorband aussuchen. Die Figurines waren die ersten, deren Album wir gehört haben und gleich dachten: wow, die sind es.

Eure Tour wurde perfekt ausgetüftelt: noch vor Erscheinen des Albums wurde sie gebucht und führt euch durch schon größere Clubs und vor allem viele Festivals...
Sebastian: Ich finde das genauso verrückt wie du. Da wurde einfach ein guter Plan vorgelegt, da muss man sich nichts vormachen.

Wie werden Madsen in Zukunft klingen, wenn es so Erfolgsversprechend weitergeht wie bisher?
Sebastian: Ich glaube nicht, dass ich jemals ganz ausgeglichen und zufrieden sein werde. Ich verspüre schon immer einen Zwang, schreiben zu müssen. Das wird sich so schnell hoffentlich auch nicht ändern. Ich glaube auch nicht, dass wir, wenn wir Hallen füllen würden, es uns dann automatisch besser gehen würde. Ich glaube die Probleme werden sich dann erst recht anhäufen.

Habt ihr konkrete Zukunftspläne?
Johannes: Jetzt ziehen wir erstmal alles durch, was ansteht. Die Festivals usw.
Sebastian: Ich glaube heutzutage ist ein zweites Album für eine Newcomerband sehr sehr wichtig, ein großes Ziel. Wenn wir das geschafft haben, dann können wir sehr stolz auf uns sein.


Interview + Text: Robert Heldner


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