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No Use For A Name Interview

Punkvoter? Davon halte ich nichts...

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Matt (1. v. links) von No Use For A Name im Interview

No Use For A Name sind zweifelsohne eine Institution in Sachen Punkrock, seit knapp 18 Jahren im Geschäft und kein bisschen müde. Mit ihrem aktuellen Longplayer "Keep Them Confused" beweisen die vier um Mastermind Tony Sly wieder ihr berühmtes Händchen für energische Punkrockhymnen und melodramatische Mid-Tempo-Rocksongs. Wir trafen den äußerst auskunftfreudigen NUFAN-Drummer Matt direkt vor ihrem Auftritt im Schweinfurter Stattbahnhof. 
Und eigentlich wollte ich ihn nur ein bisschen über die neue Platte und ihre Karriere ausquetschen - gelandet sind wir in einer Diskussion über Politik, Major-Labels und welche Rolle Punkrock dabei zu spielen hat. Dass Bush ein übler Kerl ist, und was die Jungs von ihm halten war sicherlich vorher schon klar. Allerdings machte er bei seinem mittleren Rundumschlag auch nicht Halt vor Bandkollegen wie NOFX oder Anti-Flag und fand dazu klare Worte über Projekte wie Punkvoter oder die "Rock Against Bush"-Samplerreihe - eine interessante Sichtweise, die im ersten Moment doch überrascht. Aber alles fing ja an, mit der Frage zum neuen Album...

Ihr habt gerade euer neues Album “Keep Them Confused” veröffentlicht. Was würdest du sagen ist wohl der größte Unterschied zu euren früheren Releases?

Matt: Wir haben uns diesmal sehr viel Zeit genommen, um das Album wirklich so klingen zu lassen wie wir uns das vorgestellt haben. Ich denke auch, dass es um einiges dynamischer ist als die alten Sachen - wir haben versucht eine gute Mischung aus schnellen Songs und eher rockigen Sachen zu finden.

Du würdest es aber schon als ein „typisches“ NUFAN-Album durchgehen lassen?

Matt
: Nein, weil es meiner Meinung nach keinen typischen NUFAN-Sound gibt. Die Leute gehen immer nur in den Laden und kaufen das fertige Produkt, für uns ist es aber ein Arsch voll Arbeit: Nicht nur die zwei Monate im Studio, oder die zwei Wochen davor wenn wir noch mal alles durchgehen - Tony (Sly, Sänger, Anm. d. Verf.) sitzt zum Beispiel schon Monate vorher an den Songs und grübelt über die Lyrics. Deshalb würde ich keines unserer Alben als „typisch“ bezeichnen, weil es eben verdammt viel Arbeit ist - und aus dem Grund rege ich mich auch immer noch über schlechte Reviews auf, weil Leute einfach nicht respektieren wie viel Arbeit dahinter steckt.

Ich finde, dass „Keep Them Confused“ wieder ein bisschen mehr nach Punkrock klingt während „More Betterness“ und vor allem “Hard Rock Bottom” mehr rockige Elemente hatte.

Matt
: Ja, allerdings sind die Lyrics diesmal viel mehr Punkrock als der Sound. Unsere Songs sind einfach davon geprägt, was letztes Jahr in Amerika passiert ist: Nämlich ein Haufen Scheiße! Und das hat unser Songwriting beeinflusst, weil wir einfach alle der gleichen Meinung darüber waren.

NUFAN ist jetzt seit knapp 18 Jahren im Punkrock-„Business“, du bist seit 1995 in der Band - was hat sich im Vergleich zu den „early years“ alles geändert?

Matt: Alles. Die Szene hat sich drastisch geändert, und für uns als Bands ist es hart, weil wir weiter Musik machen wollen - wir lieben einfach die Shows in schmutzigen, verschwitzen Clubs. Für uns ist das unser täglich Brot so wie andere zur Arbeit gehen.
Auf der anderen Seite sind da diese „Glam-Bands“ wie ich sie nenne: z.B. Fall Out Boy oder Hawthorne Heights, die immer super stylish in tollen Dresses antanzen und sich zwei Stunden lang frisieren lassen, bloß um danach wie die Jungs von Möetley Crue auszusehen. Wir wollen mit unserer Musik weitermachen, aber diese Art von "Musik" ist leider die einzige die zurzeit angesagt ist, weil die Kids einfach total lethargisch sind und nicht mehr wissen, was „real music“ wirklich ist.

Hat das aber nicht auch sehr damit zu tun, auf welchem Label eine Band stattfindet: In eurem Fall also Fat Wreck...?

Matt
: Ganz ehrlich: Ich glaube, dass wir in einer Zeit leben, in der es keinen Unterschied mehr macht auf welchem Label du bist.

Wirklich?

Matt
: Ja, ich meine Fat Mike (Labelboss von Fat Wreck, Anm. d. Verf.) ist wirklich nett zu uns und unterstützt uns - aber wenn wir jetzt eine Platte auf Vagrant, Drive Through oder sogar einem Major veröffentlichen würden: Das wäre den Kids egal...

Aber Major-Labels wie EMI oder Warner sind meiner Meinung nach nicht der richtige Platz für Bands, die Punkrock spielen und dabei eine echte Message zu transportieren haben...

Matt
: Glaubst du wirklich? Sind nicht Anti-Flag jetzt auf einem Major-Label?

Ja, inzwischen schon, aber sie haben auch eine interessante Einstellung wenn es um dieses Thema geht...

Matt
: Genau. Sie sagen, sie würden über einen Major mehr Leute erreichen. Und genau das meinte ich: Die Kids interessiert es nicht mehr, welches Label auf der CD hinten draufsteht. Anti-Flag geht es um ihre Message und nicht mehr zu sehr um das Anti-Establishment-Ding. Wir hätten übrigens auch kein Problem damit - wenn uns Fat Wreck rausschmeißen würde - auf ein anderes Label zu wechseln.

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Well, No Use For A Comment...


Zurück zu eurem Album: Die letzten Jahre haben wir ja ein erstaunliche Re-Politisierung des Punkrock erleben dürfen. Ist der Song „Bullets“ eine Art NUFAN-Zugeständnis zu diesem Thema?

Matt
: Ja, der Song ist sehr inspiriert von Michael Moore´s Film „9/11“ bzw. der Mutter die dort poträtiert wird, die ihren Sohn im Irak verloren hat. Und an ihrem Gesicht konnte man das ganze Leid ablesen, das Präsident Bush über unser Land gebracht hat. Der Irak hat Amerika nie bedroht (anders als Iran oder Korea), alles was für Bush interessant war, war das Öl...

Bleibt die große Frage, warum Bush dann letztes Jahr wiedergewählt wurde...

Matt
: Das kann ich dir sagen: Erinnerst du dich, wie auf einmal die ganzen Celebrities angefangen haben sich gegen Bush zu wenden und sich öffentlich zu äußern? Das war ja fast schon Mode, und die im Süden haben sich natürlich gedacht „Ich lass mir von den reichen Schnöseln nicht sagen, wenn ich zu wählen habe“. Manche haben es da zu gut gemeint mit ihren Äußerungen.

Also war es in erster Linie die Schuld der Gesellschaft und nicht Bush mit seiner Politik?

Matt
: Irgendwie schon, Amerika ist nicht „united“, Amerika ist das gespaltenste Land der Welt. In den ersten Jahrzehnten gab es den „Melting Pot“, in dem verschiedenste Kulturen und Religionen zusammengelebt haben - heute ist die Gesellschaft ganz offen verfeindet.

Und Bands wie Anti-Flag und Propagandhi haben mit ihrer Musik die Möglichkeit, Dinge zu ändern?

Matt
: Ja, Propagandhi in jedem Fall, denn sie wissen, wovon sie singen. Anti-Flag schreien und jammern ziemlich viel, aber so wirklich durchblicken tun sie auch nicht. Wir sprechen mit ihnen oft Backstage und...

...aber was ist mit den ausführlichen Liner-Notes in ihren Booklets oder ihr sonstiges Engagement für Politik, gerade für junge Leute?

Matt
: Ja klar, sie lesen ziemlich viel und schreiben das dann ins Booklet oder verwenden es für ihre Lyrics. Versteh mich nicht falsch, die Jungs sind Freunde von uns, aber das habe ich durchschaut. Und NOFX? "C´mon, they´re a party band". Die haben alle ne Menge Kohle, und Fat Mike hat sich natürlich gegen Bush geäußert, aber wo hat das geendet: In MTV, sogar ein Interview mit CNN. NOFX sind unsere Freunde und wir lieben sie, aber für mich steht fest: Das war ein bisschen zu wenig und ein bisschen zu spät - der Scheiß hat ja bereits 1998/1999 angefangen...

Und was ist mit der „Rock Against Bush“-Sache und der „Punkvoter“-Plattform?

Matt
: Ich kann das von „Punkvoter“ nicht mehr hören: Das hat nicht funktioniert und hat keinen Sinn gemacht. Wir haben auch einen Song zu den „Rock Against Bush“-Samplern beigesteuert, weil Fat Mike unser Freund ist, aber ich glaube nicht dass sich das ausgezahlt hat. Das Ganze wurde komplett falsch angefangen: Ich mag es auch nicht, mir sagen zu lassen, was ich zu wählen habe. Sobald jemand anderen vorgibt, was sie zu wählen haben ist die Freiheit dahin.

Und mit der nächsten Regierung - nachdem Bush ja zum Glück schon zweimal dran war und somit nicht noch einmal antreten darf - wird sich da was ändern?

Matt
: Nein. Ich glaube, das Volk muss den Wechsel herbeiführen...

...ein Aufruf zu Revolution also... Kann so was heutzutage noch funktionieren?

Matt: Ja, wenn sich die Leute wieder zusammenstehen. Es wird immer schlimmer in Amerika: nicht nur die Armut steigt, vor allem der Rassismus ist das große Problem. Und ich meine nicht so Erscheinungen wie der Ku Klux Klan - nein, die Leute hassen sich, egal welcher Hautfarbe. Und da kann kein Präsident helfen, da müssen sich die Menschen selber helfen.

Vielen Dank für deine Antworten...  

Matt: Gerne, eines möchte ich aber noch hinzufügen: Sicherlich wollte Fat Mike das Richtige machen, aber der Weg war einfach der Falsche.


Interview + Text: Bastian Streitberger

Fotos: nouse4aname.com (1),  Holger Gillitzer (2)

Und dazu die passenden Infos:


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