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Go! Team Interview

"Und plötzlich waren wir eine Band"

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 Im Hotel hatte man gesagt. Mittags. Und dann kam's doch anders.
Die Show in der Nacht zuvor hatte sich beträchtlich nach hinten verschoben (erst gegen 1.30 Uhr konnte gespielt werden) und der Wintereinbruch inklusive Schnee hatte nicht unbedingt dazu beigetragen, daß der Tourbus besonders schnell von München nach Berlin rollte. So wurde das Interview kurzfristig in den Magnet verlegt, den Club in dem an diesem Abend das Konzert stattfinden sollte, und der Zeitplan rutschte ein klein wenig nach hinten. Doch irgendwie nahm man ihnen das paar Minuten Füße in den kalten Boden stehen nicht wirklich übel. Ging es einem selbst ja doch recht gut – verglichen mit den sechs total übermüdeten Gestalten, die kurz darauf aus dem Tourbus krabbelten. Weder ins Hotel hatten sie vorher gekonnt, noch auch nur eine Dusche oder ein Frühstück nehmen.
Nach einem unsicheren Blick auf die häßlichen Häuser umher wurde die gute Stube jedoch rasch betreten – mit dem Problem, daß die Stube sich als gar nicht so gut entpuppte. Noch nicht einmal Kaffee konnte einer tief augenberingten Ninja, sowie dem nur schwach wacheren Ian beschafft werden (mit den beiden das Interview stattfand) und alle umliegenden Cafés (als evtl. 'Interview-Location-Ausweichstation') hatten am späten Mittag des 1. Advent geschlossen. Wie sinnig.
Aber was soll's, also rein und erstmal ein paar Sessel und Tische zurechtrücken. Du meine Güte sieht Berlins Vorzeige-Clübchen tagsüber verranzt aus! So völlig ungeschminkt und in Alltagsklamotten traut sich ja wohl kaum auch nur ein Floh hinein. Doch nach ein paar erfolglosen Versuchen es etwas gemütlicher zu machen (durch das oben beschriebene Möbelrücken...) konnte immerhin folgende Feststellung gemacht werden: Drinnen ist es deutlich wärmer als draußen. Die dicken Jacken fanden sich alsbald mehr oder minder akkurat in Sessel- und Couchecken geknüllt wieder. Doch mit wem saß man denn da nun eigentlich?

Bei manch einem werden wohl massiv die Kindertage in Erinnerung gerufen, wenn er zum ersten Mal der Musik des Go! Teams lauscht. Da stellt man den CD-Spieler an und sieht plötzlich irgendeine Figur aus alten 80er TV-Serien vor seinem geistigen Auge entlang ziehen. Neugierig lauscht man ein paar Sekunden weiter – und dann ist sie auch schon wieder weg. Statt dessen ist eine neue Melodie da und ein merkwürdiges Kribbeln macht sich in den Füßen breit. Und ehe man sich versieht – schwups bewegt man sich mehr oder weniger elegant durch den Raum und muß aufpassen nicht Omas Lieblingsvase hinunterzuwerfen.
Schuld an der ganzen Aufregung ist in erster Linie Ian Parton, Songwriter und 'Mastermind' des Go! Teams. Verwendet er doch mit Vorliebe Samples aus diversen alten Fernsehserien für seine Musik. Und ebenso gerne die übliche Instrumentierung bestehend aus vier Typen + 2 Gitarren, 1 Bass, 1 Schlagzeug? Halt! Stop! Da liegt man dann ja auch schon ganz falsch. Hätte auch zu sehr verwundert bei dem Klang, der da aus den Boxen schallt. Statt dessen schaut die Besetzung wie folgt aus:
Ian Parton (Gitarre/Harmonika/Schlagzeug), Sam Dook (Gitarre/Banjo/Schlagzeug,), Chi Taylor-Fukami (Schlagzeug),Kaori Tsuchida (Gitarre, Keyboard, Blockflöte), Jamie Bell (Bass, Kayboard) und Ninja (Gesang, Perkussion, Blockflöte). Und selbst diese Auflistung wird der Realität nur bedingt gerecht – denn auf der Bühne werden die Instrumente fleißig untereinander ausgetauscht. Das Ergebnis ist ein sehr beatlastiger, chaotischer, vielfältiger Sound, der mal quietschen, mal sanft klingen kann und letzten Endes sich als doch weitaus strukturierter erweist, als man vielleicht zunächst angenommen hatte. Die einzelnen Songs nisten sich erschreckend lange im Ohr fest und wispern, nachdem sie verklungen sind, ein fortwährendes 'gib mir mehr, gib mir mehr'.
Wie jemand dazu kommt solche Musik zu schreiben und wie es zum ’aus 1 wird 6’ kam versucht das folgende Interview mit Ninja und Ian vom Go! Team zu klären:

Was war (ist) Eure (Deine) Motivation Musik zu machen?
Ian: Öhhhh. (verlegenes Grinsen)

Ging es darum, Leuten etwas zu erzählen?

Ian: Nicht wirklich. Es gibt keine 'Message' oder so etwas. Es ging eher darum Dinge auszuprobieren. Ich denke, neue Sachen auszuprobieren ist wichtiger als eine Art von 'Message' rüber bringen zu wollen. Ich wollte nicht unbedingt Musiker werden, es ist mehr zufällig passiert. Halt etwas, was ich immer schon nach der Arbeit gemacht habe.

Wann hast Du angefangen Musik zu machen?
Ian: Ich bin normalerweise Schlagzeuger. Ich war in verschiedenen Bands und habe verschiedene Sachen gemacht. Vieles war Mist. Aber yeah, die meiste Musik, die ich mache ist ganz cool. Aber eigentlich geht es darum sich das Beste heraus zu suchen und daraus etwas zu kreieren.

Wie habt Ihr Euch kennengelernt?
Ian: Eigentlich habe ich diese ganze Musik alleine gemacht. Und dann kam es zu dem Punkt, daß immer mehr Anfragen für Live-Auftritte als Go! Team kamen. Mit dem Problem, daß es dafür keine Band gab. Ich mußte mir erstmal überlegen, wie man die Songs am besten live rüberbringt. Das war gar nicht so einfach, weil es so viel zu berücksichtigen gab.
Und dann habe ich mit ein paar Leuten zusammen angefangen live aufzutreten. Dann kamen immer mehr Anfragen und bei den nächsten Konzerten kamen die restlichen Mitglieder hinzu. Und plötzlich waren wir eine Band. Es war nie geplant daraus einen Vollzeit-Job zu machen.

Einige von Euch kommen aus London?
Ian: Die Mädels kommen aus London, aber eigentlich findet alles in Brighton statt.

Lebt ihr immer noch in London?
Ninja: Ja. Ist ja auch nicht so weit weg.

Könnt Ihr mittlerweile von Eurer Musik leben?
Ian: (enthusiastisch) Ja. Weil wir einen Vertrag in Amerika, einen in Europa und einen in Australien haben.

Mußtet Ihr die Songs für die Veröffentlichungen in anderen Ländern, als dem UK verändern?
Ian: Ja. Ich meine, nein, nicht wirklich, weil in Amerika - Pause - (grinst) – es war bloß weil die Leute dort die gleichen Samples haben, aber es mußte nichts wirklich umgeschrieben werden oder so.

Ihr habt in diesem Jahr zum ersten Mal eine wirklich große Tour gemacht. Ist das 'Touren' noch ein neues Gefühl?
Ian: Ja, es fühlt sich noch recht neu an. Uns gibt es seit 1 ½ Jahren. Es ist also alles ziemlich schnell gegangen.

Ninja, Du springst und tanzt viel auf der Bühne herum. Trainierst Du, oder bist Du von natur aus so fit?
Ninja: (lacht) Ich bin die unfiteste Person, die Du jemals kennen wirst. Ich bin die faulste der Band. Ich wäre fit, wenn ich all das tun könnte, ohne danach müde zu sein. Aber ich bin so unsportlich...

Aber es sieht manchmal so professionell aus.
Ian: (schmunzelt)
Ninja: Das ist alles gefaked. Nee, alles fake. Ich bin so müde, aber ich kann das ja nicht wirklich zeigen.

Okay, aber wenn die Musik anfängt, geht's?
Ninja: Ja, ich weiß nicht. Wenn die Musik anfängt, fang ich an herum zu springen und kann nicht aufhören. (Ian lacht) und am Ende, haut's mich dann um und ich merke, daß ich extrem müde bin.

Bekommst Du Feedback vom Publikum? Gehen die Leute z.B. noch mehr 'ab', wenn Du anfängst sie zu animieren?
Ninja: Hoffentlich. Die Energie sollte im besten Fall von der der Bühne ins Publikum und zurück fließen.

Was für Musik hört Ihr aktuell?
Ian: Aktuelle Sachen, mmmh. Ich mag The Arcade Fire. Die Luft ist ziemlich dünn zur Zeit für neue Sachen.
Ninja: Ich hab ja eher mit Hip-Hop zu tun. Aber es gibt im Moment keinen (neuen) Hip-Hop, den ich mag. Aber ich konnte mir eine CD anhören, die mir ein Journalist gegeben hat. Das Frank Popp Ensemble. (Freude beim Interviewer: Echt?? Die kommen aus meiner Heimatstadt – da gibt's sonst fast niemanden bekanntes.) Ich mag die, ich mag die wirklich.

Ich hab' mal gelesen, daß es eine Art Band-Regel ist, daß Du keine männlichen Stimmen verwenden willst. Wie kommt das?
Ian: (lacht) Weiß ich auch nicht wirklich. Ich bevorzuge einfach Frauenstimmen und benutze die immer, auch beim Rappen. So Old-School-mäßig, wie bei einigen 60s Girlgroups, die ich mag.

Meinst Du, Du wirst das mal ändern?
Ian: Ich weiß nicht. Ich kann nicht singen – und ich würde nicht singen.
Ninja: Hast Du aber schon. (Ian lacht) Bei Ladyflash. Wenn wir diese 'yeahyeah yeahhh" machen sollen. (singt)
Ian: Ich habe so getan, als wär ' ich ein Mädchen.

Für welchen Song vom Album habt Ihr (Du) am längsten gebraucht um ihn zu schreiben?
Ian: Ladyflash hat irgendwie ziemlich lange gebraucht. Jeder Song besteht aus drei oder mehr Songs, die alle zusammen verwendet werden. Bei Ladyflash habe ich es mehrmals versucht und ich habe sehr viele verschiedene Sachen ausprobiert. Aber es hat nicht funktioniert.

Also fängst Du manchmal etwas an – und dann muß erstmal etwas Zeit verstreichen?
Ian: Ja, weil Du brauchst den Refrain und die Verse. Dann findest Du etwas und Du probierst aus, ob es funktioniert. Gestern habe ich mir Aufnahmen von frühen Versionen von einigen Songs angehört, da hatten wir andere Sachen versucht. Das war wirklich merkwürdig.

Wird das Song schreiben einfacher? Gibt es so etwas wie Routine?
Es kann nie einfach sein. Wenn es einfach wäre, würde es die ganze Zeit passieren. Man muß einfach mit den Sachen (weiter)arbeiten, die man mag.

Hat irgendwer von Euch noch Nebenprojekte zum Go! Team?
Ninja: Ich schreibe meine eigenen Sachen ja sowieso. Und Sam schreibt einige eigene Sachen.
Ian: Kaori, unsere neue Gitarristin – sie kommt von einer Band, die heißen 'Yumi Yumi'.

Ihr habt schon vorher in Berlin gespielt?
Ian: Ja, zweimal. Aber nicht hier in diesem Club.

Na dann viel Erfolg heute Abend!

Interview + Text: Nicolina Werther


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