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Escapologists Interview

Anfangstage


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© Fabienne

Pete Fletcher grüßt zurückhaltend und lässt sich in die kleine Sitzecke fallen. Die Locken stehen etwas ungeordnet vom Kopf ab, während er wild gestikulierend die Entstehung des Debütalbums "In Free Motion" begreiflich zu machen versucht. Es ist ein schönes Album geworden. Etwas rauh, spröde, düster, mit Funken von Post-Rock. Hier ein bischen Prog, da diese schwebenden Elemente, die gelassene Indie-Musik ausmachen können. Später am Abend wird er das auf der Bühne greifbarer machen können. Hier im DevilDuck Büro fehlen ihm manchmal die Worte.


Auch Schlagzeuger Jorge Lerda, argentinischer Abstammung, hat so seine liebe Mühe, das Album in Worte zu fassen. Warum auch. Einer, der das wesentlich besser könnte, sitzt nicht mit in der Sofaecke: Neil Wells. Aber der ist wohl ohnehin damit beschäftigt, seine Haupt-Zweit-Band Seachange zu unterhalten, die am gleichen Abend aufspielen werden. Es ist das Reeperbahnfestival, man nutzt die Gunst der Stunde und spielt eine gemeinsame Tour.

Dass Pete Fletcher, der Gitarrist des schottischen Trios, mal Philosophie studiert hat, merkt man ihm an. Er ist darum bemüht, Dinge klarzustellen. Neil hat auch Philosophie studiert, daher kennen die beiden sich. Aber Neil scheint in sich gekehrter zu sein. Nicht unbedingt auf der Bühne. Aber abseits, zumindest zu nervtötenden Musikjournalisten. Aber sei's drum, Pete weiß ohnehin alles wissenswerte über die Escapologists zu erzählen.

Kannst du kurz zusammenfassen, welchen Weg die Escapologists bereits hinter sich haben?
Pete Fletcher: Wir spielen mittlerweile schon seit zehn Jahren zusammen. Ed und ich haben uns auf der Uni kennengelernt, wo wir beide Philosophie studierten. Irgendwann ging Ed und mir dieses ganze Bandgeprobe ziemlich auf die Nerven, weshalb wir Harcore-Techno auf unseren Laptops zusammen schraubten und in kleinen Clubs spielten. Das war super, aber irgendwann habe ich festgestellt, dass ich lieber Gitarre spiele. Ich habe mich dann wieder mit Neil getroffen, aus unseren Anfangstagen mit der Band, und wir beschlossen, das Projekt "Band" wieder neu aufzunehmen. Am Anfang waren wir eine reine Instrumentalband. Wir haben über ein halbes Jahr gebraucht, um einen Sänger zu finden. Irgendwann kristallisierte sich Neils Talent als Songwriter, Lyriker und Sänger heraus und wir haben ihn dann einfach vors Mikro geschoben. (lacht)

Kannst du den Punkt benennen, an dem dir klar war, dass es mit der Band klappen könnte?
Nach der Starlight EP, als Ed ausstieg. Er ist ein wahnsinnig guter Pianist, aber irgendwie wollten seine und unsere Vorstellungen nicht so recht zusammenpassen. Die EP ist auch viel dunkler und rauher geworden, als wir das eigentlich wollten. Nachdem Ed ausgestiegen war, waren wir erst richtig bereit, ein Album aufzunehmen. Das hat dann auch ganze 14 Monate gedauert! Zwischendrinn kündigte sich dann mein erstes Kind an, was es nur noch wichtiger machte, das Album zu beenden. Wir hätten eigentlich schon Monate vorher fertig sein wollen. Dummerweise ist Neil bei Seachange eingestiegen, genau dann, als wir anfingen, dieses Album aufzunehmen.

War es von Vorteil, dass es so lang gedauert hat?
Finanziell war es ganz gut verkraftbar, weil wir ja in unserem eigenen kleinen Studio aufgenommen haben. Im Grunde konnten wir permanent proben und gleichzeitig aufnehmen. Es hört sich wahrscheinlich etwas peinlich an, aber wir konnten die Äpfel plücken, wenn sie reif waren. Wir konnten den Song in dem Moment loslassen, wo er fertig schien, ohne uns Gedanken machen zumüssen. Wir konnten uns zeit lassen, ihn zur Reife zu bringen (lacht). Klar kann man sich da leicht in Details verzetteln, aber das ist immernoch besser, als Wochen später, wenn man nicht mehr im Studio ist, festzustellen, dass es eigentlich ja viel besser hätte gelingen können!

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© Fabienne

Habt ihr außer in Deutschland, Österreich und der Schweiz schon ein Label bei euch in England gefunden?
Nein, in England haben wir noch kein Label gefunden. Wir machen viel mit "A is for Artist", dem Seachange-eigenen Label. Aber wir würden schon gern irgendein größeres Label in England finden. Aber ganz ehrlich: das ist mir relativ egal. Ich möchte meine Zeit lieber damit verbringen, Songs zu schreiben, aufzunehmen, mit ihnen zu touren, anstatt ewig nach einem Label zu suchen.

Täuscht der Eindruck, dass "In Free Motion" ein Konzeptalbum geworden ist?
Ja! "In Free Motion" ist kein Konzeptalbum. It had to be a record about good songs! (lacht) Und was die Texte angeht müsstest du da schon mit Neil reden. Aber er würde es dir wahrscheinlich ohnehin nicht erzählen.

Mich hat die Atmosphäre beeindruckt. War das euer Hauptaugenmerk?
Ja, die Atmosphäre ist etwas besonderes. Das liegt wahrscheinlich im wesentlichen daran, dass wir nur dann in unserem kleinen Studio aufnehmen konnten, wenn die Bands in ihren Proberäumen nebenan nicht gespielt haben. Was im wesentlichen dazu führte, dass wir mitten in der Nacht an den Songs geschraubt haben. Da hat sich dann eine ganz eigene Atmosphäre über die Songs gelegt. Der Keller hatte keinerlei Fenster und zu jeder Zeit haben wir uns da unten ziemlich isoliert gefühlt. Ich hoffe bloß, dass es für andere Menschen nicht zu düster klingt, schließlich hatten wir eine Menge Spaß im Studio! Und es hat uns alle näher zueinander gebracht. Als Band, aber auch als Freunde.

Welchen Künstler könnt ihr alle als entscheidenden Einfluss benennen?
Ich würde sagen: Jimmy Rourke! Oder Low!? Ich weiß es nicht. Es gibt so viele wunderbare Künstler.

Ist Neil der heimliche Fixpunkt bei den Escapologists? Ist er die treibende Kraft?
Ja, das ist er. Unbestreitbar! Neil ist schon allein derjenige mit der größten Plattensammlung von uns allen. Er kennt so viele Bands, Künstler, Musiker. Sachen, von denen ich noch nie gehört habe. Ganz absurde Hip-Hop-Projekte usw. Ich schätze das ist auch so ein wenig auf uns eingeströmt. Es ist unser erstes Album und ich bin gespannt, wie die Menschen es aufnehmen werden. Es kratzt mich auch ehrlich gesagt nicht, wenn man uns fragt, wer unsere musikalischen Einflüsse waren. Ich bin vielmehr darauf gespannt zu hören, was die Menschen alles darin wiederentdecken. Ich kann das gar nicht so genau herausstreichen.

Interview + Text: Robert Heldner
Fotos: Fabienne Mueller


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