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MISC - sellfish.de Beifang 09/06 | 03

Miscellaneaus: Genrekram*EP*Vinyl*MCD*Sampler*Demos*Soundtrack

Eine neue Heimat bei sellfish.de: Für Sachen, die normalerweise unterzugehen drohen. Oft verdient und von manchen verachtet lassen sich in dieser Rubrik immer wieder auch echte kleine Perlen entdecken...

neue Veröffentlichungen, kurz angeschnitten...

mit: A Love Ends Suicide | Moreme | Windsor For The Derby | Bitter Orange | Firebird | Nebelhexe | Mark Foggo

Nichts Neues aus Metalcorehausen. “In The Desaster“ von A Love Ends Suicide bietet gewöhnliche Genrekost, die leider außer brutalem Gegrunze und meist temporeichem Riffgeballer nicht viel zu bieten hat. Auf den Punkt produziert und für Fans sicherlich durchaus hörbar, tragen diese elf Songs dennoch keinen Funken Innovation in sich. „Of Day Dream and Fantasy“ oder „Dying To Be Beautiful“ sind Titel, die eine eindeutige Sprache sprechen. Krawall und Remmidemmi auf der 08/15-Schiene. Das können andere deutlich besser.

Schade auch, dass Moreme auf ihrer Promo EP wenig eigenständig klingen. Emo und Pop heißen die beiden Schubladen, in die man die junge Band stecken will und da sich die Band für keine der beiden entscheiden kann, vermengt man die Stile übergangslos. Soweit so gut, zumal Gevatter Punk ebenfalls noch ein Wörtchen mitredet, das Problem ist nur, dass man damit sicher keinen Preis bei „Jugend forscht“ gewinnen kann. Genreübergreifend haben schon viele agiert, zuweilen auch interessanter, aber Moreme stehen ja noch am Anfang, das heißt da kann und soll gerne noch mehr kommen. „Words Still Hurt“ ist dafür ein guter Ausgangspunkt, „Beg You“ eher weniger. Jetzt heißt es schonungslos aufräumen im Proberaum, um danach mit Mut den Schritt nach vorne zu wagen.

Warum “Calm Hades Float“ von Windsor For The Derby aus dem Jahre 1996 jetzt wiederveröffentlicht worden ist, entzieht sich meinem Wissen. Vielleicht deswegen, weil Instrumentalmusik und Progrock gerade wieder einen Aufschwung erleben und man zeigen möchte, wo die Vordenker des letzten Jahrzehnts zu suchen sind. Windsor For The Derby haben ihre Songs damals einfach durchnummeriert, eine Idee, die bis heute gerne übernommen wird. Ansonsten findet man auf dem Album jede Menge düsterer Klänge zwischen Noiserock und epischen Songgerüsten. „Five“ ist sehr zu empfehlen, sonst bleibt nicht so viel hängen, außer der Eindruck, dass es “Calm Hades Float“ locker mit aktuellen Veröffentlichungen aufnehmen könnte. So gut war das vor zehn Jahren schon.

Einmal Schweinerock bitte, heißt es da bei Bitter Orange, die dem Rock’n’Roll den Kampf angesagt und den Punkrock gleich noch annektiert haben. Der Titel “One Foot In The Dancin’ Shoes, One Foot In The Grave” der neuen EP ist dabei Programm. Druckvoll zusammen geschreineter Sound trifft auf Partywut und zweistimmige Songs, die mal mehr und mal weniger mitreißen. Ein gutes Lebenszeichen allemal, mal sehen was die fünfköpfige Kapelle auf Albumlänge bieten kann, sofern denn mal ein Longplayer in Planung ist.

Dass Napalm Death-Gitarrist Bill Steer in seiner Freizeit vor allem Bands wie Deep Purple oder Led Zeppelin verehrt, mag zunächst überraschend klingen, nicht aber wenn man “Hot Wings“ das erste Album seines neuesten Projekts Firebird anhört. Irgendwo zwischen Southern Rock und allem, was zwischen Nebelschwaden auf den Bühnen kleiner Clubs der 70er Jahre gespielt wurde, eiert die Platte über die Landstraße ohne Anfang und ohne Ende. “Hot Wings“ ist ein konsequent ausgelebtes Hobby und eine runde Sache, die im Jahre 2006 aber wenig spannend daher kommt. Zwar vereinigt die Platte bluesige Momente genauso wie flotte Tanzflächenstampfer, ist dabei aber fast schon eine Spur retro. Not my cup of tee, was vielleicht einfach daran liegt, dass ich erst in den 80ern geboren wurde.

Noch mehr retro ist die Nebelhexe, die würde wohl gleich ganz zurück ins Mittelalter. Zumindest ist die Dame, anscheinend aus dem selben Gruselkabinett auferstanden, aus dem auch schon Bands wie Subway To Sally oder In Extremo hergekommen sind. Das ist so schaurig, dass man es mit “Essensual“ leider nicht lange aushält...

Mit Mark Foggo’s Skasters hält man es ebenfalls nicht wesentlich länger aus. Der versucht es alt bewährt auf “You Shot Me“ mit Ska und viel guder Laune und nervt damit zielsicher nach wenigen Songs. Das letzte Mal, als ich mich ernsthaft für Ska interessiert habe war vor fünf Jahren im Spanienurlaub, das Wetter war durchgängig schlecht und dazu liefen die Mighty Mighty Bosstones und der Wodka in Strömen. Interessiert jetzt wahrscheinlich niemand, aber wann wird man solche Anekdoten schon mal los? Nach neun Alben ist der Brite Mark Foggo jedenfalls eine Institution in Sachen Ska und bietet deshalb für jeden Anlass den passenden Song. Vom „Wedding Day Blues“, über „Living On Alcohol“ bis hin zu „Marijuana“ mag man zwar kaum glauben, dass dem Herren diese Titel erst jetzt eingefallen sind, aber sei’s drum. Auch wenn ich die alten Werke nicht kenne, vermute ich vorsichtig, dass sich Mark Foggo seinen Stil über die Jahre bewahrt hat und empfehle “You Shot Me“ jedem tanzbegeisterten Althippie und jedem Nachwuchspunk.

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Retro stinkt!

mit: Scissor Sisters | The Panic Channel

Wer sich, wie die Scissor Sisters, für sein Zweitwerk Elton John als Songschreiber mit ins Boot holt, hat nicht alle Tassen im Schrank. Im Song "I Don't Feel Like Dancing" passt das allerdings super zusammen. Hier ein Bee Gees Gejole, da ein paar Phasergeräusche aus drittklassigen 70er Jahre Science-Fiction-Serien und in der Mitte ein Tanzflächen Stomper, der sich über 4 Minuten hinzieht. Danach sind die Polyester-Hosen und die hochgekleisterten Haare erstmal ruiniert und man kann in Ruhe auf den rosa Ledersitzen des T-Birds Platz nehmen und ne Nummer schieben. Die Scissor Sisters haben Disco wieder zu Disco gemacht, könnte man meinen. "Ta-Dah" heisst ihr Zweitwerk und strotzt nur so vor Sounds, die man doch eigentlich hoffte, in der Pop-Historie begraben zu haben. Aber man kann so tief gar nicht Buddeln, wie Jake Shears zu graben bereit ist. Kurz den Dreck abgepustet, schon strahlen die 80er wieder im neuen Glanz. Da kann man entweder begeistert sein, oder aber das einzig richtige tun: ausschalten.

Noch so ein Revival! The Panic Channel setzen sich aus 3/4 von Jane's Addiction zusammen und sorgen noch einmal für Klarheit, falls man es schon vergessen haben sollte: die 90er waren letztlich doch scheiße. Aber nicht so scheiße, dass man 2006 aus den Abfällen nicht noch schnell einen Matschkuchen zusammen kleistern könnte, der so ekelhaft aussieht wie er schmeckt. Dave Navarro hat sich ja bei MTV schon lächerlich gemacht. Den Todesstoß gibt er sich mit der sogenannten "Supergroup" The Panic Channel. Faulig riechender Grunge, belangloser Hardrock, Creed-Soundalike-Gewinneralbum. Schlimm. Da könnte man meinen, in den 90ern hätte es nur solche Bands gegeben. Pavement sei Dank war dem aber nicht so!

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