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Audrey

Visible Forms

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So hübsch können sichtbare Formen sein. Dabei hatte man immer gedacht, dass es so etwas nur in der eigenen Phantasie gibt. Das schwedische Damen-Quartett Audrey lässt Bilder entstehen, wo vorher keine waren. Winterlandschaften, wo gerade noch Frühling war. Träume werden vertont und dadurch sichtbar, bis nach und nach ein behutsames Meisterwerk entstanden ist.
Achtung, Sirenengefahr! Zu leicht könnten einen diese vier bezaubernden Stimmen auf die falsche Fährte locken. Zu gemütlich könnte man es sich machen in diesen geschmeidigen Songs, die wie Schafswölkchen vorbeiziehen. Man könnte denken, dass Björk die kranken Kapitel abgehakt hat und jetzt wieder in Indiepop macht und dabei glatt übersehen, dass Audrey dem Postrock ein neues Gesicht geben. Es wäre ein Irrtum zu glauben, dass sich die Herren bei Sinnbus einfach verführen haben lassen, um die Frauenquote auf dem Label zu steigern. Mit Audrey gelingt ihnen einerseits die Erweiterung des eigenen Rahmens, während sie sich dennoch treu bleiben. Die Melodieverliebtheit sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass Audrey ähnlich komplex und genauso intelligent zu Werke gehen, wie viele andere Bands des Labelrosters. Denkt man sich Cello, Piano und Trompete weg, hätte man immer noch ein vorzüglich gemachtes handwerkliches Skelett. Doch hier ist eben mehr. Viel mehr. Keine Ahnung wie die Band auf einen Songtitel wie „Mecklenburg“ kommt, aber so viel Schönheit, wie in diesem Stück Musik, hat es dort nicht einmal vor den letzten Landtagswahlen gegeben. „Catch your last breathe / ’cause it’s coming“. Zu spät. Atemlos verfolgt man, wie Anna, Emelie, Rebecka und Victoria bei „Treacherous Art“ Lärm und Schönheit verschmelzen. Danach folgt ein fast klassisches Instrumental und darauf eine Überdosis Zucker, die sich im besten Moment einfach wieder aus dem Blut verabschiedet. Wiederholung ist nicht ihr Ding. Lieber erzeugen sie eine fast bedrohliche Atmosphäre („Vague“) oder lassen die Gänsehaut beim Hörer langsam den Arm entlang kriechen („Leaving / Letting Go“). Hier wird gesungen, gehaucht, geflüstert, im Chor brilliert und vor der Anlage ist man schon längst dahin geschmolzen. Stück für Stück wird hier Schicht auf Schicht gelegt, bis Audrey die Popmusik auf eine höhere Ebene gehoben haben. Völlig unaufgeregt und dafür umso konsequenter. Für den schwedischen Grammy sind sie auch schon nominiert. Kein Wunder, denn „Visible Forms“ ist zwar vielleicht nicht ganz so revolutionär wie Notwists „Neon Golden“, aber mindestens genauso schön.

Bewertung: 8 von 10 Sternen / Spielzeit: 42:31 / Indiepop

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