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MISC - sellfish.de Beifang 05/07 | 04

Miscellaneaus: Genrekram*EP*Vinyl*MCD*Sampler*Demos*Soundtrack

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sellfish.de Spezial: (Abstract) HipHop & Elektronik Sounds

mit: Sage Francis | Glam | Illicit | Lexy & K-Paul | Polyrhythm Addicts | Wax Tailor u.v.m.

Elektronik plus Independent ergibt Indietronika - spätestens seit Notwist und Console mit "Shrink" auf intensive Tuchfühlung gingen. Vorbehalte zwischen Independent und HipHop Kultur wurden zu einem ähnlichen Zeitpunkt bereits durch The Roots abgebaut. Seit "Original Pirate Material" verschwimmen alle drei Szenen immer weiter untereinander. Eine Entwicklung, die nicht länger nur in Metropolen wie London kongeniale Blüten treibt. Was sich auf dem Tonträgermarkt mit teilweise hochinteressanten, teilweise aber auch überambitionierten Werken bemerkbar macht. Grund für ein kleines Spezial zur Horizont-Erweiterung; und gleichzeitig eine Auswahl dessen, was uns in letzter Zeit so an sellfish.de-affinen Elektronik/HipHop Releases im Postfach gelandet ist.

Wer könnte ein solches Spezial besser eröffnen als Alias, Mitbegründer und Aktivist des für unser Thema so bedeutenden Anticon Labels. Auf "The Collected Remixes" (Anticon/Alive) präsentiert uns Brendon Whitney nach einigen gelungenen Kollaborations-Arbeiten eine Auswahl seiner Auftragsarbeiten. Die elf Remixe wurden für Künstler wie John Vanderslice, Lali Puna, Giardini Di Miro oder die Nowist-Zusammenarbeit 13 & God angefertigt und zeigen das Talent des Produzenten, ebenso visionäre wie songorientierte Anknüpfungspunkte zwischen verschiedenen Genres zu kreieren. Auch wenn sich nur eine tatsächliche Eigenkomposition auf dem etwas unscheinbar aufgemachten Werk findet: Alias Spuren lassen sich in jeder seiner Mixe ausmachen.
Deutlich konventioneller geht es bei der Euroclikk zu. Das österreichische Trio veröffentlicht sein Debüt stilecht undergroundig in Eigenregie. Und "The Outcome" (Euroclikk/Groove Attack) gefällt mit zum Crew-Namen passenden, mehrsprachigen Raps: Auf Deutsch, Englisch und Französisch verbreitet man seine Message. Und wenn schon nicht produktionstechnisch oder inhaltlich, hebt man sich zumindest konzeptionell von der Konkurrenz ab: Die Euroclikk verfügt über kein festes Lineup, sondern setzt sich mehr oder minder lose aus verschiedenen MCs und Produzenten zusammen. Was natürlich zu haufenweise Features führt, welche zusätzlich für Abwechslungsreichtum sorgen. Doch auch diese Tatsache genügt nicht wirklich, um "The Outcome" aus dem gehobenen Durchschnitt zu hieven.
Auf einem gänzlich anderen Level rangiert dagegen das Schaffen von Sage Francis, dessen stilistische Nähe zum Anticon-Kollektiv auf "Human The Death Dance" (Anti/SPV) allgegenwärtig bleibt. Mit dem vierten Album des Amerikaners werden einmal mehr Genregrenzen ausgelotet; viel wichtiger aber: Den gern zitierten Stereotypen setzt Francis clevere Beats, ausgeklügelte Produktionen und substanzhaltige Lyrics entgegen. Ecken und Kanten versperren zunächst die Sicht auf die zündenden Songkonstrukte. Beiträge von Odd Nosdam, Alias oder Jolie Holland beispielsweise erweitern das Soundspektrum immens, wenngleich das Material immer klar dem HipHop zugeordnet werden kann. In dessen zukunftsweisendster, intelligentester Liga wohlgemerkt; denn dort scheint Sage Francis ohne jede Anstrengung zu rangieren. Mit seinem charakteristischen Flow, politischen Texte und der ungewöhnlichen Labelheimat unterstreicht "Human The Death Dance" den Status des Protagonisten als eine Art Bob Dylan seiner Zunft.
Main Concept Soundbastler Glammerlicious legt nach längerer Abwesenheit seiner Ursprungsformation mit einem Produzentenalbum nach: Und nähert sich unter dem Pseudonym Glam deutlicher denn je internationalen Standards an. Was natürlich auch auf die beinahe ausschließlich englisch-sprachigen Lyrics seiner Gast MC's zurückzuführen ist. "Laceration" (58 Beats/Groove Attack) zeigt den Münchener dennoch nicht in Richtung US-Standards gierend. Vielmehr gelingt ihm eine überraschend elegante Grätsche zwischen jazzig-zurückgelehnten Tracks sowie pfiffigen Beatgerüsten; bei welchen er immer wieder auch abseits ausgetretener Pfade fündig wird. Was damit zusammen hängen dürfte, dass wir es hier nicht mit dem klassischen Albumentstehungsprozess zu tun haben. Vielmehr wurden die 14 Tracks über einen mehrjährigen Zeitraum in verschiedensten Konstellationen kreiert. Das Resultat ergibt ein die Erwartungen weit übertreffendes Genrewerk, welches im gleichen Zug Glams Label 58beats zu breiterer Resonanz verhelfen sollte.
Illicit stammen zwar aus Utrecht in Holland, ihr Album "Cheap Propaganda" (Pottpeople/Indigo) allerdings wütet in den funkigen Gegenden von Arrested Development oder De La Soul. In ihrer Heimat werden die Fünf bereits landauf landab gefeiert, und tatsächlich überzeugt der Sound durch ein besonderes Charakteristikum: Zwar haben wir es hier überwiegend mit typischem HipHop zu tun, von der Instrumentierung her aber sind Illicit eine konventionelle Popband. Was dazu führt, dass man sich als Hörer bei den Partytracks ("Phase 3") an Everlast und sonst an die poppigen Momente der Roots erinnert fühlt. Vielleicht ein wenig zu viele Vergleiche für einen wirklich einzigartigen Sound… Spaß macht "Cheap Progaganda" dennoch.
Das Berliner Duo Lexy & K-Paul beschäftigt sich seit Jahren damit, den engen Grenzen üblicher Dance- und Techno-Sparten zu entkommen - Mal mehr, mal weniger mutig. Ob die Mission auf "Trash Like Us" (Kontor) überzeugend gelingt, bleibt angesichts der mir vorliegenden, arg beschnittenen und kommentierten Promo-CD schwer zu sagen. Nur soviel: Die Pop-kompatiblen Tracks gehen auf Anhieb ins Ohr; fett produziert und eher der alten Schule verpflichtet steuert das Material mitten auf das Tanzbein, lässt dabei jedoch etwas an Substanz vermissen. Worüber die fein ausgewählten Gastvocals - beispielsweise in der ersten Single "Wide Road" - zumindest phasenweise gut hinweg täuschen.
Vom enorm hohen Qualitätsstandard des Babygrande Labels wissen mittlerweile dagegen längst nicht nur Insider. Mit ihren beiden aktuellen Veröffentlichungen haben sich die New Yorker allerdings selbst übertroffen. Und es wird schwer werden, diesen binnen unseres kleinen Specials wirklich gerecht zu werden. The Polyrhythm Addicts jedenfalls machen ihrem Namen sogleich alle Ehre. Acht veröffentlichungsfreie Jahre nach der Debüt-EP stolpert man noch immer über die waghalsigen Beats von Crew-Mitglied DJ Spinna, lässt sich neuerdings von der Stimme Tiye Phoenix in den Bann ziehen, während die beiden Ursprungs-MCs Mr. Complex und Shabaam Sahdeeq für einen gewichtigen Gegenpol sorgen. Trotz oder gerade wegen des halsbrecherischen Ideenreichtums von Beats und Raps erkennt man "Break Glass" (Babygrande/Groove Attack) konsequent als originäres Bestandteil des Raps: Nicht zuletzt aufgrund einiger ausgewählter Features sowie der enorm hohen Trefferanzahl unter den 17 Tracks markieren die Polyrhythm Addicts den ersten wirklich essentiellen Beitrag zum HipHop Jahr 2007.
Sa-Ra samt ihren selbstbetitelten "Creative Partners" ordnen sich stattdessen mit "The Hollywood Recordings" (Babygrande/Groove Attack) nicht allein der progressiven Variante ihres Genres zu: Das aus Produzenten und Rappern bestehende Trio identifiziert seinen Sound als "Afro Magnetic Electronic Spiritualism" und setzte für vorliegendes Debüt unter anderem Erykah Badu, Talib Kweli sowie Capone-N-Noreaga auf die Gästeliste. Ein kleines Indiz dafür, in welcher Liga hier nach diversen Kollaborationen mittlerweile gespielt wird. Dennoch würde es zu weit führen, im Falle Sa-Ra von Abstract HipHop zu sprechen. Trotzdem rangieren diese 70 Minuten in einer ziemlich eigenen kosmischen Sphäre, in welcher die elektrifizierte Zukunfts-Version von Soul bzw. Funk eine prägende Rolle spielt. Dabei kompiliert "The Hollywood Recordings" - ohne dass man dem Album die Tatsache anhören würde - ausschließlich in der Vergangenheit erstellte Produktionen; ein regulärer Longplayer befindet sich bereits in der Pipeline... Der Empfänger wurde soeben per Einschreiben bestätigt. Stichwort: Majorlabel.
Themenwechsel. Erinnert sich eigentlich noch jemand an das Phänomen TripHop? JC le Saout alias Wax Tailor definitiv. Zumindest an den Ursprungsgedanken dieses Genres. Wie ihn einst auch Massive Attack oder die zauberhaften Portishead verstanden. Nämlich als Fusion aus der instrumentalen Essenz des HipHop (der Szene, welcher sich auch der Franzose zugehörig fühlt) mit hypnotischen, elektrischen oder gesampleten, Sounds. Mit seinem zweiten Album "Hope & Sorrow" (Lab'oratoire/Groove Attack) wird er nahtlos an die enorm positiven Resonanzen zum Debüt "Tales" anknüpfen. Dabei übertrifft das neue Material seinen Vorgänger sogar noch in einem Punkt: Bemerkenswerte Gastvocals von Sharon Joney, Charlotte Savary oder der grandiosen Ursula Rucker nämlich bilden das i-Tüpfelchen auf den wunderbar warm produzierten Tracks zwischen Pop, Jazz und Elektronik. Devise: Weg von reinen Instrumental-Landschaften, hin zu songorientierter Musik auf elektronischer Basis. Elegant, einlullend und längst nicht mehr nur für Spezialisten interessant.
Schließlich, um unser kleines Special abzurunden, sei noch auf zwei Compilations hingewiesen, die sich vorzüglich zum Einstieg in die jeweiligen Soundwelten eignen. Los geht es mit der von Munk präsentierten "Gommagang 4" (Gomma/Groove Attack): Lecker Apfel auf dem Frontcover, lecker Elektroclash in der Anlage. Und noch mehr: Das lose Kollektiv von Musikern sieht sich nämlich in der Tradition von DFA, wenngleich die Protagonisten nicht nur aus Deutschland, sondern auch aus Ländern wie Italien, England oder Dänemark stammen. Verarbeitet werden Einflüsse aus Krautrock, New Wave und Elektro, welche hier zu einer 22-Track-Kollage zusammen gesponnen werden. Beiträge von unter anderem Playgroup, Nick McCarthy (Franz Ferdinand) und Soulwax-Soundbastler Stephen Dewaele machen "Gommagang 4" zu einer äußerst reizvollen Angelegenheit.
Wesentlich direkter geht es auf den beiden randvollen CDs von "Weapons Of Mass Creation 3" (Hospital/Groove Attack) zur Sache: Die 3. Ausgabe der Drum'n'Bass-Samplerreihe steuert sozusagen "in your face", ohne dabei ein angemessenes Verhältnis von Qualität und Quantität vermissen zu lassen. Auf CD eins gibt es aktuelle Produktionen von u.a. Apex (feat. Ayah), Sonic, Danny Byrd oder den London Elektricity Remix des Hard-Fi Hits "Hard To Beat" zu hören. Allesamt vollkommen tanzflächen-kompatibel und dabei nur selten in das ungeliebte, sonnenscheingetränkte Saubergewand gepackt. Genannter Danny Byrd mixt auf CD zwei die Tracks übrigens samt weiterer unveröffentlichter Produktionen zu einem herrlich rumpelnden, packenden Ganzen, welches - zumindest für D'n'B Heads - eine attraktive Bestandsaufnahme des derzeitigen Sound-Standards bietet.

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heute: Instrumental, Poppunk, Wave, Wavepunk - dabei ist alles!

mit: Erdbeertörtchen | Billy No Mates | Diego | Cremaster

Erdbeertörtchen führen offensichtlich gerne auf die falsche Fährte. Denkt man bei diesem Bandnamen doch zunächst an den nächsten Deutschrockklon. Aber Vorsicht, das hier ist eine ganz andere Baustelle. Mit ihrer zweiten Platte versuchen die vier Rheinländer nämlich nicht sich irgendwo zwischen Juli und Anajo zu positionieren, sondern gehen ihren ganz eigenen Weg. „Humbug, Watson“ (Tumbleweed Records / Broken Silence) ist vielleicht das schönste Instrumentalalbum, das Tomte nie aufgenommen haben. Fehlender Gesang heißt im Fall von Erdbeertörtchen, dass man sich nicht in progressiven Instrumentalgewittern ergeht, sondern einfach mal die Gitarren laufen lässt. Einordnen kann man das unter feinem Indiepop mit rockigen, manchmal sogar tanzbarem Einschlag. Auf Dauer etwas monoton, aber bezaubernd und außergewöhnlich allemal.

16 Songs in gut 40 Minuten – das ist eine Ansage. Klar, es geht hier um Punkrock. Melodic-Punk-Legende Duncan Redmonds hat unter der Flagge von Billy No Mates zum zweiten Mal seine Kumpels aus mehreren Kontinenten versammelt, um den Jungspunden zu zeigen, wer Bands wie NOFX oder Less Than Jake entscheidend geprägt hat. Gebretter at its best. Da wünscht man sich heutige sogenannte Punkbands würden mal so ein Album rausknallen. Was mit Redmonds mit Snuff perfektioniert hat, wird hier weitergeführt. Melodieverliebter Punk, der für den gepflegten Skateboardsoundtrack schon fast zu schnell ist. Mit einer besseren Aufnahme und einem schickeren Artwork hätte das die Sommerplatte des Jahres werden können. „C’monletmeseeyoupogo“ (Ten Past Twelve Records / Rough Trade) erinnert ein wenig an die erste Thermalsplatte minus Indie plus Punkrock. Hits, Hits und noch mal Hits. Mal mehr wie No Use For A Name, mal mehr wie Bad Religion in frühen Tagen. Spitze!

Als die Editors vor zwei Jahren um die Ecke kamen und die schwer erfolgreichen Interpol fast 1:1 kopierten, war das schon ganz schön frech. Erfolg hatten sie dennoch nicht zu knapp, was wohl auch daran liegt, dass sich die Leute am kühlen Joy Divison-Sound noch nicht tot gehört haben. Diego outen sich auch ohne große Umschweife als große Fans und bedienen sich auf dreiste Art und Weise bei den Editors. Distanzierter Gesang, klare Gitarren, stoisches Schlagzeug – it’s all the same. Metro-Pop nennen die das beim Label. Und Songs können die Mannen aus Karlsruhe auch noch schreiben. Eine unglaubliche Frechheit eigentlich. Aber gefallen kann der Großteil der acht Nummern, die Diego auf ihrem selbstbetitelten Debüt (Rookie Records / Cargo Records) versammelt haben. Mal sehen, ob sie sich aus dieser Sackgasse befreien können oder direkt den Weg ins Vorprogramm der Großen antreten.

„Tanz den Kommunismus!“, sangen mal DAF. Hier ist die Umsetzung: Cremaster vermischen frühen 80er Punk, Wave und ein wenig Indiegeschrammel mit dem Charme sozialistischer Arbeiterlieder. Der Bass dröhnt und grummelt vor sich hin, die Texte sind mehr gesprochen als gesungen und über all dem hängen Hammer und Sichel, auch wenn das dem hässlichen schwarz/weiß-Cover nicht gleich ansieht. Passt aber ganz gut zur Gesamtästhetik eigentlich. Das Album hat man „C8HION4O2“ genannt und hätte ich in Chemie besser aufgepasst, wüsste ich jetzt für was diese Verbindung steht. Die Songs heißen zum Beispiel „Sinnlos-Bude“, „Postkarte aus Tallinn“, „Fehlerteilchen“, aber auch „Kartoffelpuffer“, sind verziert mit Samples aus Filmen oder Klassik und sind mal mehr und mal weniger interessant. Unabhängig davon: Schön, dass solche Alben heute noch aufgenommen werden.

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Heute: Top of the Review-Stapel

mit: Rentokill l The Bottrops l Felix Culpa | Shannon Wright

“Politically Charged Punkrock“ aus Österreich steht es da in großen Lettern auf der Presseinfo. Das kann alles und nichts heißen. Im Falle der vier Jungs um Rentokill (Rude Records / Cargo) aus Wien sind das in erster Linie catchy Punkrock-Songs, die nach dem Anti Flag-Prinzip mit ordentlich Dampf nach vorne gehen. Die Landsmänner von Red Lights Flash haben schon eindrucksvoll bewiesen, dass jenseits der Alpen auch mal das Messer in der Tracht aufgehen kann. Kein Zufall also, dass im Vorfeld von „Antichorus“ eine Split-EP mit eben jenen Red Lights Flash stand. Die 15 Songs des zweiten Studio-Albums der Österreicher überzeugt dann auch durch politische Texte, die nach bekanntem Prinzip ohne Kompromisse aber mit eingängigen Melodien aufbereitet werden. Besonders überzeugend ist dabei aber das handwerkliche und detailverliebte Geschick mit dem die politisch motivierten Texte transportiert werden. Bereits im Jahr 2006 eingespielt, wurde „Antichorus“ unter tatkräftiger Unterstützung von Alan Douches (Strike Anywhere, None More Black u.a.) produziert und findet über das italienische Label Rude Records/Cargo nun auch den Weg in deutsche Plattenläden. Ein überaus gelungenes Album, das auf mehr hoffen lässt.

Von Politik und Gesellschaftskritik ist es gar nicht weit zu den neu gegründeten Bottrops  - auch wenn dort das Spiegel-vors-Gesicht-halten noch mehr im Vordergrund steht. Genauso wenig wie man es schafft, die Review ohne die Wörter "Terrorgruppe", "Nachfolge-Band" und "Sing-Alongs" zu schreiben (sic!). Jenseits dieser Schubladen-Mentalität ist das selbstbetitelte Debüt-Album "s/t" (Destiny) zwar eine Sammlung an vor melodie-berstenden Punkrock-Songs zwischen Powerpop, Surf-Punk und Garagen-Rock - aber eben auch kein klassisches Album aus Terrorgruppe-Tagen. Weniger augenzwinkernde Albernheiten, dafür aber mehr ernstzunehmende Direktheit mit der die Hörer konfrontiert werden - und sich am Ende auch selbst identifizieren können. Keine bissige Ironie sondern gut formulierte Klöße im Hals, die zwar mit manchen Spielereien („Von A-Z“) aufwarten können, aber im Grunde sich auf das Wesentliche reduzieren. Dazu bietet das ausführliche und mit Liebe zum Detail gestaltete Booklet dann auch nicht nur ordentlich Liner Notes, sondern auch einen kompletten Überblick zur Band-History. Und wie man die Herzlichkeit der Jungs von früher schon vermuten ließ, wird das Album als „Eröffnungsangebot“ zum Single-Preis angeboten. Schnell zugreifen lohnt sich also - im doppelten Sinne.

Schon ein wenig länger dabei sind Felix Culpa, veröffentlichen sie doch mit „Duft“ (Capitol East Records) das bis dato fünftes Album ihrer Band-Geschichte. Leider - aus welchem Grund auch immer - ist das Quartett aus dem Norden der Republik bis dato an mir vorbeigegangen, gefallen die zehn Songs auf „Duft“ doch mit der ersten Strophe durch die offene Türen einschlagende Direktheit mit der die vier Jungs um Sänger Christian Niehe sich Probleme, Sorgen und Ängste von der Seele spielen und schreien. Ich weiß nicht, wie trostlos, einsam, bedrückend es im Oldenburger Münsterland sein muss, aber verdammt - wenn so was dabei rauskommt, wünscht man sich doch dorthin. Sicher, viel Madsen, ein wenig Tomte und Konsorten sind nicht weit weg, aber Felix Culpa waren zuerst da. Kraftvoller Gitarren-Rock, moll-lastige Melodien und ein markiger Gesang, der sich im Spannungsfeld zwischen brechender Stimme und gesunder Refrainlastigkeit am wohlsten fühlt. Bleibt zu hoffen, dass viel mehr Leute schon viel früher als ich so positiv von Felix Culpa abgeholt wurden, denn ein Album wie „Duft“ hat es verdient, ganz groß aufzuspielen.

Noch emotionaler wird es bei „Let In The Light“ (Unter Schafen Records), dem fünften Album der Songwriter-Ikone Shannon Wright aus Atlanta (Georgia). Bei wem es da noch nicht klingelt, darf hier an die Kollaboration mit Yann Tiersen („Die Fabelhafte Welt der Amelie“, „Goodbye Lenin“ u.a.) erinnert werden, die in dem Aufsehen erregenden gemeinsamen Album „Yann Tiersen And Shannon Wright“ mündete. Auf dem neuen Album „Let In The Light“ zelebriert Shannon Wright elf poetisch-schöne Songs, die durch sagenhafte Zerbrechlichkeit, persönliche Texte und eine allgegenwärtige intime Atmosphäre bestechen. Die Kombination aus Piano-Klängen, Pop-Träumereien und intensivsten Low-Fi-Gefrickel gerät in Verbindung mit den betörend-zurückgezogenen Vocals zu einem kunstvoll aufbereiteten Hörerlebnis. Die Nähe zu Calxico lässt sich da kaum mehr verbergen. So schafft es die Amerikanerin immer mit genügend Verbal-Erotik in der Stimme und dennoch distanziert den Spannungsbogen über die gesamte Länge zu halten. Eigentlich schade, dass Künstlerinnen mit solch einem Potential, Output und Persönlichkeit hierzulande noch unter „Geheimtipp“ laufen.


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