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Bubonix Interview

Am Ende Crossover?

 

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Bubonix, man kann das schon mal so sagen, haben mit "Please Devil, Send Me Golden Hair" gerade eine wahnsinnig gute Platte gemacht. 13 Jahre hat es gedauert, bis sie ihr erstes Album über ein richtiges Label veröffentlichten. Vorher regierte D.I.Y.. Dass das eigentlich immer noch ganz genauso ist, und sich kaum etwas geändert hat, ist nur eine Erkenntnis in unserem E-Mail-Interview mit Sarah (Gitarre / Gesang) und Olei (Bass). Vier Stunden Zeit nahmen sie sich fürs Beantworten der Fragen. Wir sagen nochmal Danke dafür. Am 30. Mai spielen die Bubonix im „Avalons Dust“ in Nürnberg. Wir waren da zwar noch nie. Aber jetzt gibt es wenigstens einen triftigen Grund dorthin zu schauen. Fragen. Antworten. Jetzt.

Ihr galtet bisher als Gralshüter der D.I.Y.-Kultur in Deutschland. Veröffentlicht eure neue Platte jetzt auf Noisolution. Was war der ausschlaggebende Punkt für diesen Schritt?
Olei:
Ihr kommt ja mit ganz krassen Fragen am Anfang. Also ein wichtiger Grund für den Wechsel zu Noisolution war wahrscheinlich die Vorliebe von Arne Noisolution für vegane Lederjacken und pensionierte Fußballprofis! Aber Spaß beiseite. Wir haben uns für das Label entschieden, weil sich das Label auch für uns entschieden hat. Wir haben unsere Aufnahmen an Arne geschickt. Gleichzeitig hat er sich bei uns gemeldet. Nach dem ersten Treffen war klar: Liebe auf den ersten Blick! Der Rest ist Geschichte. Und natürlich immer noch DIY. Wir schreiben noch unsere eigenen Lieder und dürfen auch über das singen, was uns bewegt. (lacht) Das multimediale Spektakel (Homepage, Aufkleber, Videos, Flyer, T-Shirts, Buttons, Poster, Texthefte etc.) machen wir immer noch selbst. Wir verbringen Stunden damit, den ganzen Kram zu entwerfen. Das Plattencover hat ein guter Freund, Peter Hoffmann (glashaus-design.com) für uns gezeichnet.
Sarah: Wir haben Familie, Kinder und Jobs. Da kam dann auch der Gedanke, Dinge wie Mailorder bestücken, Platten vertreiben, Booking etc. abzugeben, weil es zeitlich einfach sehr stressig wurde und im Endeffekt die Musik darunter leidet. Es ist ja so, DIY funktioniert hauptsächlich in den Köpfen der Band. Nach außen hin mag es vorkommen, als hätten wir das Heft in andere Hände gegeben. Es ist aber eher so, dass wir in Arne einen Mitstreiter und Freund gefunden haben. Wir beschließen Dinge gemeinsam und finden es toll, jemanden zu haben, der die Sache ein wenig objektiver sieht. Das vereinfacht gewisse Dinge und lässt uns mehr Raum für das Wesentliche, nämlich Musik zu machen!

Gibt es da eine gewisse Erwartungshaltung. Vom Label, aber auch von euch selbst?
Sarah:
Die größte Erwartungshaltung setzen wir uns selbst. Grundsätzlich sind wir unsere größten Kritiker.
Olei: Ich hab den Plattenvertrag immer noch nicht ganz durchgelesen. Vielleicht findet sich auf Seite 1.666 noch ein Punkt mit dem Titel "Erwartungshaltung". Hmmmmm…da muss ich mich wohl noch durch einige Paragraphen durchwühlen!

Wie schätzt ihr eure Fans ein? Gehen die diesen Schritt mit, oder wirft man euch jetzt schon Sellout vor?
Sarah:
Äh, das kann ich jetzt überhaupt nicht nachvollziehen. Wir sind unserer Musik und unseren Aussagen immer treu geblieben. Die Band hat schon 1995 Hardcore mit Reggae kombiniert oder in Unterhosen á la Red Hot Chili Peppers auf der Bühne abgefeiert. Es kann natürlich sein, dass einige alte Freunde unsere neue Platte nicht mehr zu ihrem 30. Geburtstag auf den Plattenteller legen. Aber ich bin mir sicher, dass wir menschlich immer noch auf einer Welle pogen, diven oder headbangen. So muss das sein! Wir haben uns selbst nie in irgendwelche Schubladen gesteckt, waren immer offen für alles was Spaß macht! Wir hoffen, dass die Leute das in unserem neuen Album hören. Es ist uns sehr viel daran gelegen, mit Schubladendenken aufzuräumen. No Circle = No Jerks!

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Auf euerer MySpace-Seite kann man sich den neuen Song „Fashion Tattoo“ anhören. Ein Statement gegen die Mainstream-werdung eines einstigen Hardcore/Punkrock-Phänomens?
Olei:
Zu Tattoos kann ich recht wenig sagen. Ich habe keine bleibende Zeichnung auf der Haut, obwohl mich Thorsten schon einige Male unter die Nadel zerren wollte. Ich schaue mir aber mit Begeisterung die Werke von Thorsten und anderen an und erfreue mich an den Geschichten hinter den Tattoos. Die Szene hat sich in den letzten Jahren sehr vergrößert und augenscheinlich haben sich Qualität und Inhalte der Szene verringert. Natürlich gibt es heutzutage einen Haufen Idioten, intolerante Proleten und Machos, die gut gestylt ihre Mädels auf den Shows präsentieren. Solche Leute haben es bei unseren Konzerten schwer sich „in Szene“ zu setzen. Tough-Guy-Gepose oder sexistisch-rassistisches Gepöbel geht bei uns gar nicht. Da bekommt der Nachwuchs aus der weißen Mittelschicht eine ganz klare Absage!

Ihr habt öfters auf dem OutOfOrdinary-Festival gespielt. Das fand vor zwei Jahren leider zum letzten Mal statt, weil sich nicht genügend Leute fanden, die mithelfen wollten, um das Festival wieder auf die Beine zu stellen. Resigniert man mittlerweile auch als Band, weil Lieberberg & Co. das Festivalgeschäft zu Grunde richten?
Olei:
Wir sind total traurig, dass es das Festival nicht mehr gibt. Für das erste OutofOrdinary-Festival haben wir die Gesangsanlage mitgebracht. Da waren etwa 28-35 Festivalbesucher inkl. Veranstalter. Wir sind von Mülltonnen „gedived“, die wir als Bühnenbegrenzung an der ebenerdigen Bühne (Teppich auf Waldboden) aufgestellt haben. Im letzten Jahr haben wir übrigens eine Revival-Party mit allen Freunden und Bekannten auf dem Festivalgelände gefeiert, zumal der ehemalige Hauptveranstalter auch unser Merchandise in den letzten Jahren gemacht hat. Das Festival ist aber nicht nur an der mangelnden Beteiligung zu Grunde gegangen, sondern auch an den Auflagen und Hürden von Seiten der Gemeinde und Anwohner. Da wünschen wir doch viel Spaß bei der nächsten Kirmes oder beim Waldfest des Verschönerungsvereins. Da stellt sich nur noch die Frage, ob die oben angesprochenen Festivalveranstalter schlimmer sind.

Ich habe euch erst einmal, eben damals auf dem OOO-Festival, live gesehen. In der Presseinfo steht, dass ihr vor Konzerten eure Texte in gedruckter Form verteilt. Macht ihr das immer noch, und glaubt ihr mit eurer Musik etwas verändern zu können?
Sarah:
Ja klar! Auf den nächsten Konzerten gibt es wieder Texthefte von uns und Hefte von befreundeten Fanzines, freien Schreibern und evtl. von Comiczeichnern. Wir sind auch der Meinung, mit unserer Musik etwas in Bewegung zu bringen oder in Bewegung zu halten. Das wäre ja tragisch, wenn das nicht so wäre! Wir sind zwar realistisch genug zu wissen, dass man mit einer Platte oder ein paar Konzerten nicht die Welt rettet, aber wir sind fest davon überzeugt, Denkanstöße zu geben, müde Füße zum Tanzen zu bewegen oder wenigstens ein leichtes Nackenwippen zu erwecken.

An welchem Moment entscheidet ihr, ob der Song deutsche oder englische Vocals benötigt. Hängt das mit der Aussage zusammen?
Olei:
Der Text entscheidet selbst, ob er deutsch oder englisch sein möchte. Es ist die Situation, das Leben, aus welchem er sich entwickelt.

Ihr seid zu sechst in der Band. Kommt es da auch untereinander zu unterschiedlichen Standpunkten?
Olei:
Ja klar! Gerade in der Vergangenheit wurden viele Lieder unter hartem geistigen und körperlichem Einsatz komponiert. Da musste jeder seinen Senf dazugeben. Es gab wirklich Blut, Schweiß und zahlreiche Wutausbrüche. Der Großteil der Texte stammt von Thorsten. Er hat eine ganz eigene Art, ernste Themen auf den Punkt zu bringen und im nächsten Moment eine traumhafte Metapher zu entwickeln. Inhaltlich besprechen wir die Texte zusammen oder entwickeln sie weiter. Oft ist es aber so, dass wir die Texte durchlesen und zustimmend nicken. Dafür kennen wir uns eben schon fast eine Ewigkeit. So ist es auch bei Veranstaltern, Konzerten, Interviews oder bei der Wahl der Kassette, bzw. CD im Tourbus: Da sind wir einer Meinung und mit einem guten Bauchgefühl dabei!

Probt ihr immer noch im Kalkwerk? Und lasst ihr euch von den anderen Bands auch ein Stück weit inspirieren, oder hat man nach so vielen Jahren gar keinen Bock mehr auf viel Neues?
Sarah:
Das Alte Kalkwerk ist ja eine Jugend- und Kulturinitiative (e.V) und bietet vielen jungen Bands die Möglichkeit, in einem eigenen Proberaum zu proben oder Konzerte zu veranstalten. Wir proben dort immer noch und lassen uns immer noch vom Kollektiv „Kalkwerk“ inspirieren. Bands gehen, Bands kommen und das hält diesen Ort so stark in Bewegung!
Olei: Darüber hinaus gibt es dort noch Schauspieler, Bildhauer, Kunsthandwerker, Säufer, Spinner, Denker und Träumer, Tiere, Pflanzen etc…, die die große Chance haben, weitestgehend selbstbestimmt einen Teil ihres Alltags zu gestalten. Natürlich gibt es auch Reibereien und unterschiedliche Meinungen. Das ist auch gut so! Was mir dabei wirklich auf den Sack geht: dass es leider nur noch wenige dieser Orte in Deutschland oder Europa gibt. Freiräume in der Stadt oder auf dem Land fangen eben mit Freiräumen in den Hirnen der Menschen an!

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„Alles scheiße – aber trotzdem geht’s uns gut“. Fasst so ein simpler Satz, eure derzeitige Gemütslage ausreichend zusammen?
Olei:
Naja, willst du jeden Abend beim Schauen der Tagesthemen deine Seele aus dem Leib kotzen vor lauter Ekel über die Unfähigkeit der Menschheit? Auf jeden Fall ist es das ein oder andere mal gar nicht so schlecht, um die letzten Stunden seines eigenen Lebens zu reflektieren. Durchaus auch heilsam, aber generell nicht immer spaßig. Aber Spaß muss sein und unseren gewachsenen Optimismus lassen wir uns nicht nehmen. Wir versuchen Liebe und Respekt in die Welt zu bringen.

Euch gibt’s seit 13 Jahren. Da haben sich die Zeiten ganz schön geändert. Wie wichtig ist für eine Band wie euch mittlerweile so ein Konstrukt wie „MySpace“? Und wie beurteilt ihr das?
Olei:
Ich finde MySpace eine sehr gute Plattform, um mit vielen Menschen zu kommunizieren und neue Kontakte zu knüpfen. Auch in unserer Band hat sich die Kommunikation dank Internet und Handys verbessert. Aber die „guten alten Zeiten“ waren natürlich auch nicht schlecht. Da hat man die Demo-Tapes mit der Post verschickt und stundenlang versucht einen Veranstalter an das Festnetztelefon zu bekommen, dessen Nummer man aus dem „Book your own Fucking Life“ entnommen hatte. Das waren noch Zeiten! Aber jetzt kann man auch im Handumdrehen mit einem lieben Freund über die Niederlage seiner Lieblingsfußballmannschaft mailen ... und der sieht nicht die Schadenfreude in deinem Gesicht. Hehe

„From Inside“ habt ihr selbst im Proberaum aufgenommen. Diesmal mit Kurt Ebelhäuser an den Reglern in einem richtigen Studio. Wie sehr hat das eure Arbeit beeinflusst?
Olei:
Ja die „From Inside“ haben wir tatsächlich im Proberaum aufgenommen und in der Lagerhalle unseres Aufnahmeleiters gemixed. Damals wie heute möchte ich aber nicht von Arbeit reden. Kurt kennen wir auch schon seit vielen Jahren und die Zusammenarbeit kam eher zufällig zustande, da Thorsten und Kurt auf einer Party nicht nur von kulinarischen Köstlichkeiten schwärmten, sondern Thorsten auch von neuen Songs erzählte. Tja, und neben leckeren Grillabenden und Koblenzer Geschichten aus der Vorstadt haben wir zusammen die Lieder aufgenommen.

Ihr habt euch auf der neuen Platte bei jedem Musikstil ein wenig bedient. War das von Anfang an beabsichtigt, oder ist das Ergebnis reiner Zufall?
Sarah:
Auf der Platte ist so ziemlich gar nichts beabsichtigt. Das ist einfach das Ergebnis mehrer Leute, die zusammentreffen und mit verschiedenen Ideen und Geschmäckern in den Proberaum kommen. Dann kommt das große Kochen und beim Essen sind wir uns alle wieder einig, dass es gut schmeckt!
Olei: So siehts aus! Wir sind natürlich nicht als programmierte Roboter auf die Welt gekommen, die sich das Leben mit dem Zählen von Erbsen versüßen. Wir haben alle schon Millionen Erfahrungen gemacht und die wollen wir jetzt verarbeiten. Das sind Kindheitserinnerungen an zu heißen Tee oder die erste Verliebtheit in die strenge Klassenlehrerin. Ebenso wichtig ist das blanke Entsetzen über korrupte Politiker, pädophile Priester oder gefälschtes Ejakulat aus Zuckerguss in Pornofilmen. Unsere Musik ist eben das Ergebnis unseres bisherigen Lebens und nicht ein Konglomerat aus addierten Musikstilen. Außerdem ist es ja auch unsagbar schwer heutzutage zeitgenössische Musik in enge Schubladen zu stecken ... Oder sind wir letzten Endes doch alle Crossover?

Interview und Text: Sebastian Zapf


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