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Alphabeat Interview

Ein wenig Grease


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Das Kreuz mit der Popmusik ist deren Naivität, die meist aufgesetzt oder künstlich hochstilisiert wirkt. Wham ist so ein Beispiel. Das Gegenbeispiel: die Jackson 5, das genaue Gegenteil einer glücklichen Pop-Familie mit allerlei dunklen Abgründen und einem Sack voll No.1 Hits. Wo Alphabeat stehen, lässt sich unschwer herausfinden, wenn man ihre Musik auflegt. Die Twens aus Silkeborg in Dänemark machen nicht mehr und nicht weniger simpelste Popmusik. So wohlfühlig und rein, so unschuldig und ein wenig geistesabwesend, dass man ihnen gar nicht böse sein kann und will. Bei ihnen wirkt das echt und nicht aufgesetzt. Und genau so sollte Popmusik sein, oder? "Fascination" jedenfalls ist ein massiver Hit, das dazugehörige Album zumindest eine plausible Abhandlung über europäischen Pop. Dazu ein gigantisches Label (EMI) und die ein oder andere Werbekampagne (Coca Cola) - fertig ist eine Karriere für einen Sommer. Kann ja auch mal ganz schön sein. Auch wenn Sänger Anders SG das natürlich etwas anders sieht...

Ihr spielt an diesem Abend ein Showcase, hauptsächlich für Journalisten und Mitarbeiter der Plattenfirma. Liegen euch solche Business-Konzerte?
Anders SG: Naja, da wird viel rumgestanden, mit gekreuzten Armen, und wenig getanzt. Aber ich schätze als Band muss man sowas wohl tun. Wir versuchen einfach das Beste daraus zu machen.

Ihr seid in Dänemark und England bereits in den Charts, EMI hat euch unter Vertrag und noch vor dem ersten Album geht es mit Alphabeat rasend schnell nach oben...
So schnell geht das gar nicht, schließlich machen wir als Band schon seit sechs Jahren Musik. Wir arbeiten also schon lange an unserer Musik - auch wenn das letzte halbe Jahr wie im Fluge vergeht und alle Welt so großes Interesse an uns zeigt.

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Anders SG, Sänger der Band Alphabeat

Ihr stammt fast alle aus dem dänischen Silkeborg. Was kannst du mir über eure Jugend verraten?
Wir sind in ganz normalen Familien aufgewachsen. Aber wir habe in sehr jungen Jahren angefangen, Musik zu machen. Als wir 15 Jahre alt waren, haben wir uns meist nach der Schule getroffen und gespielt. Silkeborg ist winzig und viel machen kann man als Jugentlicher dort nicht.

Was war das für Musik, die ihr damals gemacht habt?

Es war etwas anders, sehr viel fast klassische Rockmusik. Bis Anders B irgendwann "Fascination" geschrieben hat. Da wussten wir, dass unsere Musik ohne Grenzen auskommen sollte. Einfach Spaß, unverfälscht. Popmusik eben.

Wie seit ihr darauf gekommen?
Wir haben nach der Schule viel in der örtlichen Bibliothek abgehangen. Da gab es eine ganze Menge CDs zum ausleihen und anhören. Wir haben praktisch kaum etwas anderes gemacht. Irgendwann ist uns aufgefalen, dass wir alle das gleiche hören.

Alphabeat stecken knieftief in den 1980er Jahren. Wie mutig ist es, heute diese Art von Popmusik zu machen?

Das braucht schon etwas Mut, weil heute viele Menschen die 80er für ein fürchterliches Jahrzehnt halten, in denen Popmusik die meiste Zeit genervt hat. Wir versuchen, die guten Songs zu konservieren und ins neue Jahrtausend zu bringen. Wir wollen zeigen, dass in den 1980er Jahren Popmusik etwas neues, naives, unterhaltsames war. Und nicht ausschließlich nervtötend. Gute Popmusik erreicht fast jeden. Zumindest kann sich jeder damit identifizieren, jeder versteht Popmusik. Es ist etwas universelles, verbindendes.

Könnt ihr den Skeptizismus verstehen, der euch entgegengebracht wird?
Nein, weil wir eine Band sind, die natürlich entstanden ist, die sich ganz natürlich für Popmusik entschieden hat. Wir hätten uns auch für Folk oder Rock entscheiden können - aber wir wollten eben Pop machen. Man kann das sehen und hören, wenn wir auf der Bühne stehen. Wir haben dort Spaß. Es ist eine Grundehrlichkeit.

Ihr müsst damit in Dänemark Außenseiter gewesen sein...
Zumindest in Silkeborg, ja. Da spielte fast jeder Metal. Aber wir haben es auf uns genommen. Und es hat sich gelohnt. Das spüren wir an den Reaktionen.

"Fascination" wurde 2007 ein großer Hit in Dänemark. Musstest du das Radio manchmal ausschalten?
Vielleichthabe ich ihn wirklich ein paarmal zu oft gehört. Aber letztlich will man das doch als Künstler, oder nicht? Seine Songs im Radio hören. Zu der Zeit habe ich in einem Kindergarten gearbeitet und in der Küche das Radio angestellt. Da waren überall Radios. Sie wussten alle, dass das unser Song ist.

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Stine Bramsen und Anders SG

Was macht Alphabeat im Vergleich zu den Einflüssen wie Jackson 5 oder Wham so besonders?
Wir haben einfach einen großartigen Songwriter in der Band, Anders B. Er weiß wie Popmusik funktioniert, wie man Songs und Hooks schreiben musst, damit sie das Publikum und den Hörer zum tanzen bringen. Außerdem musst man einen guten Musikgeschmack haben - ein reichhaltigen noch dazu. Schließlich besteht Pop aus Diebstahl, aus lauter kleinen Fetzen großer Songs, die es schon einmal gegeben hat. Die muss man aber eben kennen, sonders kann man auch nicht gut klauen. "Fascination" zum Beispiel basiert auf dem David Bowie Song "Modern Love". Anders hat sich diese Songs angehört und gesagt: ich möchte genau diesen Vibe haben! Am Ende ist "Fascination" herausgekommen.

Mika hat einmal gesagt, er wisse genau wie ein Popsong funktioniert, es steckt immer Kalkül dahinter. Ist das bei euch auch so? Kennt ihr die Tricks?
Nein, die kennen wir nicht, zumindest nicht bei unseren eigenen Songs. Wenn ich Songs von anderen Bands höre, kann ich immer genau sagen, was erfolgreich sein wird und was nicht. Aber bei uns funktioniert das nicht. "Fascination" zum Beispiel war schon zwei Jahre alt, bis er in die Charts einstieg. Die ganze Zeit über haben wir ihn für einen ganz normalen Popsong gehalten, so wie jeden anderen unserer Songs.

Angeblich habt ihr ja eine Tour im Vorprogramm der Spice Girls abgelehnt. Stimmt das?
Ja, das stimmt.

Glücklicherweise. Ihr wärt da doch ziemlich fehl am Platze gewesen, oder?
Kann man so sagen. Es stand für alles, was wir nicht sind, nicht sein wollten. Als wir bei EMI unter Vertrag genommen wurden, gab es uns schon sechs Jahre lang. Eine Tour im Vorprogramm der Spice Girls wäre dieser tatsache gegenüber unwürdig gewesen. Wir sehen uns als echte Band, die echte Popmusik spielt. Im Vorprogram der Spice Girls hätten uns alle bloß als weitere zusammengeschusterte Labelband gesehen. Wir wissen jetzt, dass es die richtige Entscheidung war.

Wenn Alphabeat ein Film wäre...
...würden darin viele hüsche Jungs und Mädchen tanzen. Und wahrscheinlich in bunten, schnellen Autos durch die Gegend fahren. So ein bischen wie in "Grease".

Interview + Text: Robert Heldner
Fotos: Offizielle Pressefreigaben


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