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Stars Interview

Good Drugs, Good Booze

 

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Amy

Es fällt nicht schwer, wohlwollende Worte zu finden. Stars. Das ist eine Band, die seit ihrem Durchbruch "Set Yourself On Fire" vor zwei Jahren so einige Nächte gerettet hat. Eine wahre Konsens-Pop-Band. Aber da ist auch so ein Hintergedanke: Wenn dieses Album so großartig ist, was soll danach kommen? Stars bräuchten einen Dämpfer, um weitermachen zu können. Aber jetzt, wo "In Our Bedroom After The War" endlich fertig ist, beweist sich das Gegenteil. Sie sind immernoch genauso gut. Und haben wahrscheinlich die beiden wichtigsten Songs ihrer Karriere geschrieben. Wahrscheinlich liegt es an den Nebenprojekten. Sowohl Amy Millan als auch Torquil Campbell waren Solo aktiv. Und beide Projekte waren eher mau. Das wahrscheinlich ist der Grund dafür, warum sich die Kanadier nach zwei Jahren zu einem neuem, großen Pop-Werk durchgekämpft haben.

Du hast nach der Tour zur letzten Stars Platte direkt mit deinem Solo-Album weitergemacht. Kannst oder wilst du nicht entpsannen?
Amy Millan: Ich glaube, Musik hat mich im Laufe der letzten Jahre dazu gebracht, ein Workaholic zu werden. Jedesmal wenn ich länger als zehn Tage zu Hause bin, fühle ich mich wie ein totaler Loser.

Hast du die Verbindung zu deiner Heimat verloren, nachdem ihr solange auf Tour wart?
Seit acht Jahren habe ich eigentlich nie längere Zeit an einem bestimmten Ort verbracht. Das ist wohl der Grund dafür, warum ich mich in einen Alkoh...Workaholic verwandelt habe. (lacht)

Hat das Solo-Album geholfen, sich wieder auf eine neue Stars-Platte zu konzentrieren?
Ja, die Pause und der Abstand von der Band waren hilfreich. Aber ich wusste zu jeder Zeit, dass es wieder ein neues Stars-Album geben würde. Die Zeit war aber wichtig, um Raum dafür zu schaffen, wieder etwas zu sagen zu haben. Die Grundmuster ausfindig zu machen. Und als wir uns dann das erste mal wieder getroffen haben, war alles frisch und neu.

Aber hatte die Solo-Platte keine Auswirkungen auf euren Songwriting-Prozeß?

Nein, in keinster Weise. Höchstens soweit, dass ich froh war, wieder mit mehreren Menschen gleichzeitig an Musik zu arbeiten.

Ihr habt in Bryan Adams' Warehouse-Studios aufgenommen. Wie muss man sich den Ort vorstellen?

Er hat riesige Fenster, überall sind Teppiche und hunderte Mikros. Es war sehr luxoriös. Wie ein Kurort für Musiker.

Das ist ein großer Unterschied zum letzten Aufnahmeort, oder?
Ja, da hatten wir nichtmal genug Platz, um uns alle zusammen in einem Raum zu befinden. Und saukalt war es auch. Diesmal hatten wir dieses rießige Anwesen und haben dort jeden Tag zwölf Stunden gearbeitet. Und nebenbei gekocht, Wein getrunken und Songs geschrieben.

Habt ihr Bryan Adams getroffen?

Leider nein, er kam genau einen Tag nach uns an. Das Studio hat aber glücklicherweise überhaupt keinen Adams-Touch. Im Gegenteil: Es ist sehr attraktiv. Da waren keine Fotos von ihm oder irgendwelche rießigen goldenen Schallplatten. Wenn wir nicht gewusst hätten, dass es sein Studio ist, hätten wir es auch nie herausgefunden. Sobald du da drin bist, fühlst du dich wie zuhause. Du denkst, das alles hättest du selbst so eingerichtet. Das ist sehr angenehm. Das ist ja auch das letzte, was du willst: In ein Studio zu kommen und den Privatbereich von jemand anderen entweihen.

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Haben sich mit den neuen finanziellen Möglichkeiten auch eure Ansprüche erweitert?
Nein, wir konnten jetzt eher das Potenzial unserer Popsongs voll auszuschöpfen. Wenn ich mir unsere letzten drei Alben so anhöre: Da war wirklich großartiges Songwriting vorhanden. Aber aufgrund seiner begrenzten Aufnahmemöglichkeiten konnte es auch nur eine limitierte Anzahl an Menschen erreichen. Jetzt können wir endlich diese Hürde überwinden.

Als ich den Titel des Albums das erste mal hörte, dachte ich, Stars würden nun ein äußerst dunkles, fatalistisches Album machen...
Und "Set Yourself On Fire" hat dir das Gefühl nicht gegeben?

Nein, der Titel hat eher etwas erlösendes.
Das stimmt. Aber das hat "In Our Bedroom After The War" auch...

Wolltet ihr beides machen? Sowohl ein dunkleres als auch ein erhabeneres Album?
Ja, ich denke diese Balance schwebte uns so vor. Wir können nicht das eine oder das andere machen. Das steckt beides in uns. In uns, in Dir, in allen Menschen. Das ist ja das tragische. Diese Suche nach Balance.

Die Charaktere in euren Songs sind immer auf der Suche nach Liebe. Manchmal finden sie die Liebe, manchmal verlieren sie die Liebe. Ist das die große menschliche Tragödie? Dass nichts Bestand hat?
Ich persönlich sehe das auch so, ja. Das ist etwas, das mich ängstigt und mir Alpträume bereitet.

Ihr habt in euren Texten immer den Alltag der Menschen im Auge. Die kleinen Zufälle und Tragödien...
Da nehme ich die meiste Inspiration her. Ich liebe es, einfach so im Bus zu sitzen, in der Bar, und Menschen zu beobachten. Ich versuche zum Beispiel herauszufinden, ob das eine Pärchen da gerade ein erstes Date hat. Oder ob es das letzte Date ist. (lacht) Oder ob ihr Lächeln bedeutet, dass sie gerade an jemanden denken, der sie mal zum Lachen gebracht hat - oder den sie auf ihrem Weg verloren haben.

Ist das der Grund dafür, warum Menschen Popmusik machen? Damit ihr Dasein einen gewissen Rahmen hat und eine Bedeutung bekommt?
Ich kann nicht für andere sprechen. Mir allerdings hilft es. Ich kann mich durch das Leben erfundener Charakter schlagen. Das hilft bei der Auseinandersetzung mit der eigenen Sterblichkeit.

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Mit welchen Kriegen schlagen sich die Charaktere auf eurem neuen Album eigentlich herum?
Das sind unsere alltäglichen Kriege. Die zwischen uns und unseren Familien und Freunden. Oder dem Liebhaber. Oder dem Land. Die meisten dieser Kriege fangen auf völlig unterschiedliche Art und Weise an. Und man muss sehr darauf achten, dass man nicht in eine gewisse Kriegskultur verfällt. Vergebung ist sehr wichtig. Wenn man dazu nicht in der Lage ist, bekämpft man sich selbst.

Wie geht ihr während der Aufnahmen miteinander um? Gibt es viele Grabenkämpfe?
Nein, der kreative Teil unserer Arbeit ist sehr friedlich. Die Kämpfe tragen wir außerhalb dessen aus. Während wir Musik machen, sind wir sehr geduldig und nachsichtig. Wir wissen: Wenn das Vertrauen erstmal zerstört ist, braucht es sehr lange, um wiederhergestellt zu werden. Und dafür ist die kreative Zeit, die wir miteinander verbringen, einfach zu kostbar. Wir achten sehr darauf, dass Auseinandersetzungen nicht auf einer persönlichen Ebene stattfinden. Es sind eher kreative Debatten. Außerhalb dessen kommt es aber natürlich schon zu großen Außeinandersetzungen. Man kann nicht mit fünf Menschen verheiratet sein und sich in acht Jahren nicht einmal streiten. (lacht)

Du kannst also gut schlichten...?
Inzwischen besser als früher, ja. Wir hatten teilweise Außeinandersetzungen, an der die Band mehrmals fast zerbrochen wäre. Aber wenn du schonmal deinen Bandkollegen ins Gesicht geschrien hast, dass du die Band verlassen willst, und du soetwas überstehst, dann kann dich eigentlich nichts mehr großartig erschüttern.

Seid ihr euch eigentlich darüber im klaren, dass ihr mit "Take Me To The Riot" den absoluten Hit des Jahres geschrieben habt?
Haha. Also ich würde mir gern ein Haus davon kaufen. (lacht)

Die Zeile "Take Me To The Riot" - ist die charakteristisch für die Band Stars?
Definitiv! Diese Mischung aus Hingabe und Selbstzerstörung ist aber doch auch charakteristisch für fast alle Menschen.

Sind Stars eine vergnügungssüchtige Band?
Klar! Da gibt es gar keinen Zweifel. Good Drugs, Good Booze and lots of Laughs.

Interview + Text: Robert Heldner
Fotos: Offizielle Pressefreigaben


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