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The (International) Noise Conspiracy Interview

Fuck the old songs, they are not good!

 

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"This town is so fucked up", hört man Inge Johansson sagen, wenn man mit dem zierlichen Bassisten von THE (INTERNATIONAL) NOISE CONSPIRACY über den Münchner Marienplatz auf der Suche nach einem Restaurant für Veganer hinterherhetzt. Eine Stunde vorher durften wir im Atomic Café den Soundcheck verfolgen und dieser trieb die Vorfreude auf das Konzert immer höher. Neue Songs wurden angespielt, Dennis Lyxzèn scherzte und trommelte ein bisschen am Schlagzeug und die Bandmitglieder - der uns bis dato unbekannten Vorband - von THE STARLIGHT DESPERATION trieben sich sichtlich übernächtigt und ohne Ziel in der Gegend herum. Viel ist passiert seit dem letzten großen Wurf der (INTERNATIONAL) NOISE CONSPIRACY.

Nach ausgiebigen Touren stand die Band angeblich kurz vor der Auflösung, Keyboarderin Sara Almgren stieg wegen persönlichen Gründen aus und die verbliebenen Mitglieder beschäftigten sich mit verschiedenen Nebenprojekten. Nun schreiben wir Juni 2004 und sie sind wieder zurück und das mit mehr Energie als je zuvor, die neue Platte erscheint einen Monat später und trägt den schönen Titel "Armed Love"; jede Menge Gesprächsstoff also und deshalb waren wir froh, dass wir nach zehn Minuten Fußmarsch durch Munich City endlich das besagte Restaurant fanden und etwas Luft holen konnten; fünf Minuten später, nach mehr oder weniger behobenen Problemen in Sachen Speisekarte, stellten wir auch schon die erste Frage...

Die Arbeit am neuen Album ist beendet, bist du völlig zufrieden mit dem Ergebnis?
Ja ich bin sehr zufrieden. OK, man sagt nach jedem neuen Album, das es das beste ist, was man je gemacht hat, aber diesmal meine ich das wirklich so.

Wenn du das Gefühl nach Beenden des Albums mit den früheren Alben vergleichst, war das ein anderes? Gab es da Unterschiede?

Ja, da war schon ein Unterschied, bei den vergangenen Alben habe ich mir danach immer mehr Gedanken darüber gemacht, dieses Mal sind wir irgendwie einfach ins Studio gegangen und haben los gespielt; wir mussten uns selber keine großen Gedanken über den Sound und um andere Dinge machen. Außerdem haben wir eine Weile vorher ein Demotape mit den neuen Songs aufgenommen und alle Leute um uns herum haben gesagt, dass die Lieder super sind.

Ihr habt jetzt bereits einige Konzerte in Deutschland gespielt, wie waren die Reaktionen der Fans auf die neuen Songs?

Also die Reaktionen des Publikums hier waren eigentlich schon immer toll, egal, ob wir gerade ein neues Album herausgebracht haben oder nicht, aber auch die neuen Songs wurden gut aufgenommen. Klar es werden immer teilweise die alten Lieder gefordert, die wir ja auch teilweise spielen, aber vergesst die alten Sachen, wir wollen das neue Zeug spielen! Fuck the old songs, they are not good; na ja teilweise sind sie es, aber uns gefallen die neuen Sachen deutlich besser.

Bei diesem Album habt ihr mit Rick Rubin gearbeitet, woher kam die Verbindung?
Er kam zu einem unserer Konzerte, als wir unsere erste Amerika-Tour gespielt haben. Und über ein Jahr später haben wir dann eine Email von ihm bekommen, dass er mit uns arbeiten will. Wir haben uns dann letztendlich bei einer Poolparty kennen gelernt (lacht) und haben uns auf Anhieb gut verstanden.

Rick Rubin wurde zitiert, dass er eure Live-Energie auf den alten Platten vermisst hat und dass er diese Sache ändern wollte; ist ihm das gelungen deiner Meinung nach?

Ja, definitiv. Er hat uns eben live gesehen und dann unsere Platten gehört und er meinte, dass man nicht wirklich hört, dass da eine Band spielt. Wir haben bei den vorangegangenen Alben darauf geachtet, dass die Instrumente und unsere verschiedenen Elemente gut klingen, aber erst jetzt auf dem neuen Album klingt das wirklich danach, dass eine Band zusammenspielt und dieser Punkt ist ihm gelungen und ich finde den Sound wirklich klasse.

Rick Rubin ist ja ein sehr berühmter Produzent, denkst du, dass es mehr ein Vorteil oder ein Nachteil ist, dass jeder - so wie wir auch - beim neuen Album automatisch auch über ihn spricht?

Ich denke, dass es auf jeden Fall kein Nachteil ist. Ich mag viele Sachen, die er gemacht hat, wie zum Beispiel von PUBLIC ENEMY oder SLAYER. Und es ist ja auch so, dass Rick Rubin praktisch seine eigenen Fans hat, es gibt viele Leute, die sich eben Bands oder Platten anhören, weil er sie produziert hat und das ist ja gar nicht schlecht, wenn somit auch neue oder ganz andere Leute mal eine Platte von uns hören; es war wirklich eine große Ehre für uns, dass er unser Album produzieren wollte.

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Wann kam euch die Idee CHRISTINA AGUILERA zu fragen, auf dem neuen Album ein Lied mitzusingen? Sie repräsentiert doch nichts, wofür ihr steht.
Naja, sie hat eine tolle Stimme und ist eine gute Sängerin (zögert in sich hinein lächelnd) und wir dachten sie ist vielleicht offen für so was. Wir wollten ein Duett auf dem Album, mit einer weiblichen Stimme, denn es gibt so großartige Duette in der Musikgeschichte und wir dachten einfach, dass wäre eine coole Idee; man denke nur mal an den Song von NICK CAVE und KYLIE MINOGUE. Aber Christina wollte ja dann leider nicht.

Letztendlich hat dann CHARLOTTE HATHERLY von ASH den Part übernommen.

Ja wir kennen uns, sie hatte Zeit und kam vorbei und machte mit.

In welche Richtung geht das neue Album, ist es politischer?
Puh schwer zu sagen, wir waren ja immer eine sehr politische Band, aber es soll nicht nur darum gehen. Die Texte kommen einfach direkt vom Herzen, das heißt das kann dann in verschiedene Richtungen gehen. Was das politische angeht, ich will schon, dass das klar rüberkommt, ich möchte keine Leute auf den Konzerten haben, mit denen ich überhaupt nicht übereinstimmen würde. Es muss nicht jeder völlig mit unserer Meinung einverstanden sein usw. aber ich will zumindest Leute auf den Konzerten haben, die da offen sind für unsere Ansichten. Wenn Leute zu unseren Shows kommen, weil sie finden, dass wir eine tolle Rockband und Liveband sind, ist das natürlich grundsätzlich OK.

Bevor ihr wieder ins Studio gegangen seid, was habt ihr so die letzten zwei Jahre gemacht?

Davor waren wir ja ewig auf Tour mit mindestens 200 Konzerten im Jahr und wir waren echt ausgebrannt, total uninspiriert und haben fast nicht mehr miteinander geredet, also musste erst mal eine Pause her. Ich war dann bei einer Gruppe in Palästina und habe viel über die Probleme dort gelernt, zu Hause in Schweden wurden Sozialleistungen gekürzt, dann war der Irakkrieg, also alles in der Welt lief irgendwie schief und niemand bzw. viel zu wenige haben sich darum gekümmert und dann haben wir uns irgendwann in Los Angeles getroffen und begonnen neue Songs zu schreiben und ansonsten war ja auch viel los. Ich habe mich mit meiner Hardcoreband beschäftigt und ein Album aufgenommen und Dennis hat sein Soloalbum aufgenommen, dafür hab ich auch ein bisschen was eingespielt.

In den Staaten wart ihr vor Kurzem für einige Konzerte Vorband von THE OFFSPRING, wie kam es dazu und wie passt das zusammen?

Ja, zehn Konzerte waren das. Nun ja das Publikum hat uns schon aufgenommen, mal mehr, mal weniger, aber uns ging es darum live zu spielen und die neuen Songs zu promoten und nachdem wir keine Headlinertour spielen konnten, wollten wir wenigstens einige Supportgigs spielen. Ursprünglich hätten wir für THE DISTILLERS eröffnet, das wurde dann aber abgesagt und so mussten wir uns entscheiden, ob wir mit THE OFFSPRING oder mit CURSIVE spielen wollten, das wollten wir dann zwar beides nicht wirklich, aber wir dachten uns, dass wir bei THE OFFSPRING wenigstens einen Haufen Leute erreichen. Und die Jungs von THE OFFSPRING waren wirklich super nett zu uns und auch deren ganze Crew hat sich um uns gekümmert.


Sprach's und schon wurde das Essen serviert. Zu unserer Überraschung erfuhren wir dann im weiteren Verlauf des Gesprächs noch, dass sich der Erfolg in ihrem Heimatland Schweden sehr zurückhält und dass sie z.B. in Deutschland mehr Fans haben, was dann schon ein bisschen überrascht, aber wer weiß vielleicht starten sie mit dem neuen Album ja noch mal richtig durch.
Eine Stunde später im vollbesetzten Atomic Café wurden wir dann Zeuge einer fantastischen Liveband. Ein charismatischer Frontmann, eine "Rocksau" am Schlagzeug, messerscharfe Riffs und eine Energie, welche kaum in Worte zu packen ist. Die Rede ist von THE STARLIGHT DESPERATION. Eine gute halbe Stunde Rock'n'rollten sie sich durch ein grandioses Set und ließen den eigentlich Grund unserer Reise vergessen machen. Gen Ende des Sets baute man mal eben das Schlagzeug ab um es dann im Publikum wieder aufzubauen und weiter zu spielen. Das war ganz große Klasse und ließ uns unser Geld in alle vorhandenen Tonträger dieser Band investieren.
Nach einer 20minütigen Umbaupause wuchs die Spannung wieder, THE (INTERNATIONAL) NOISE CONSPIRACY betraten die Bühne und eröffneten mit "Smash It Up". Es kam Bewegung ins Publikum und man war froh da zu sein. Wie von Inge Johansson angekündigt spielten sie sehr viele neue Lieder wobei "Armed Love", "Let`s Make History", "Communist Moon" und "Black Mask (Part II)." besonders gefielen. Die Meute war durchgehend in Bewegung und auch der Band schien der Auftritt sehr viel Spaß zu machen. Dennis Lyxzèn bedankte sich artig, dass auch zu den neuen Liedern getanzt wurde und man war glücklich. Zum Schluss gab es noch zwei Zugaben da die Band "nicht zur Garderobe durchkommt, da es zu voll ist". "Capitalism Stole My Virginty" war der tolle Abschluss eines Konzertes welches die Vorfreude auf das neue Album in schwindelerregende Höhen trieb.

Interview: Sebastian Gloser und Benny Wolf
Text: Sebastian Gloser
Fotos: Glen Friedman(1), Sebastian Gloser (2)


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