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Oceansize
Everyone Into Position
Hat eigentlich mal jemand nachgezählt, wie viele Alben aus
dem Bereich Prog-Rock in den letzten Jahren und Monaten überall ganz oben
gelandet sind? Da probieren einige Menschen ganz viel aus und machen ganz viel
richtig. Oceansize sind da ganz vorne mit dabei, spätestens mit ihrem zweiten
Album haben die fünf Herren aus Manchester ein Referenzwerk geschaffen. Man
stelle sich vor, es ist Weihnachten: Wenn Isis in den Wald gehen und den
Weihnachtsbaum fällen, sind Oceansize anschließend diejenigen, die den Baum
zunächst behutsam schmücken, um ihn dann nach der Fertigstellung mit einem
großen „Hurra“ wieder niederzureißen. Danach würden dann noch Aerogramme das
ganze Haus anzünden, aber das ist eine andere Geschichte. Lange war ein Album
nicht mehr so rund, so stimmig wie „Everyone Into Position“. Alles greift in
einander, nur in der Zusammenschau macht alles Sinn. Der verhaltene Beginn und
der chorale Ausklang nach über einer Stunde. Dazwischen gibt es
Gitarrengewitter, genauso wie wunderschöne Melodien und alles vereinigt in zehn
epischen Songs. Oceansize können die Spannung über Albumlänge halten und
beweisen, dass das Laut/Leise-Spiel immer noch blendend funktioniert. Bereits
der Opener auf diesem Album ist besser, als ganze Alben, die sich manche Bands
sich in letzter Zeit erdacht haben. Sieben Minuten Spannungsaufbau, wie eine
Autofahrt auf einer Bergstraße, immer ganz nah am Abgrund. „Heaven Alive“ macht
genau da weiter, um dann plötzlich in einer Harmonie aufzugehen und einen an
allen Körperteilen zu packen und kräftig zu schütteln. Man stellt sich lebhaft
vor, wie die Band die Saiteninstrumente reitet und der Schlagzeuger Betrieb
macht wie ein Achtarmiger. Dauerfeuer gibt es mit „A Homage To A Shame“, bevor
es dann etwas ruhiger wird. Natürlich aber nur kurzfristig, denn hinter jeden
Ecke könnte schon die nächste Gitarrenwand lauern. Keine leicht zugängliche
Musik, wenn man sich aber einmal darauf einlässt und die wunderbaren Details am
Wegrand in sich aufsaugt, kann da ganz Großes entstehen. Effekte, etwas
Elektronik und soviel musikalische Qualität, das es eigentlich für zwei Alben
gereicht hätte. Zieht eure Hüte, verneigt euch und präpariert die Ohrenstöpsel,
denn hier kommt eines der Noise-Alben des Jahres. / Spielzeit: 66:49 / Prog-Rock
Sebastian Gloser