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Fiery Furnaces

Rehearsing My Choir

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Den Friedbergern muss man sich mit Vorsicht nähern. Man darf sie weder unterschätzen noch sie allzusehr ernst nehmen. Nach "Blueberry Boat" war man ja einiges gewohnt: stundenlanges rätseln über Metaphern und Geschichten, deren Ursprünge wohl nichtmal die Fiery Furnaces selbst kennen dürften. Und jetzt, mit "Rehearsing my choir", liegt eine weitere Platte in der Anlage, deren Forderung so selbstverständlich wie unangenehm ist. Sie lautet: entdecke mich, denke nach, lass
dich überraschen, mach die Augen zu. Und dann wieder: einfach gar nicht denken. Denn das neue Album ist ein bastard aus Musical, Progrock, Indie-Pop und Elektronik. Aber eben alles andere als leicht verdaulich. Innerhalb von 58:45 Minuten wird die Geschichte ihrer Großmutter Olga Sanatos erzählt (ob es die wirklich gegeben hat steht wohl in den Sternen). Chorleiterin, Organistin, Ehefrau und Zeitzeugin des Chicago der letzten siebzig Jahre soll sie gewesen sein. Und diese Geschichte wird abwechselnd von Matthew und Eleanor erzählt, etwa von Schießereien in der Bowling Bahn oder von den Schnapsleichen in der Kneipe während Olga's erstem Date. Das ganze ist sowohl musikalisch als auch textlich so absurd und vertrackt, dass man nur mit enormen Zeitaufwand durch die Ge- schichte und dieses Konzeptalbum steigen kann. Das ist natürlich eine feine Sache. Jemand macht sich die Mühe, in Zeiten des allgemeinen Weichspüler-Pops noch wirkliche Geschichten zu erzählen, die anstrengen und Mühe bereiten, aber schlussendlich lohnen. Bloß: tun sie das wirklich? Die Frage, welchem Zweck Musik dient, spaltet sich angesichts dieses Albums ein weiteres mal entzwei. Einerseits unhörbar, nervig, andererseits höllisch interessant und verlockend. Vor die Frage dürfte jeder gestellt sein, sobald "Rehearsing my Choir" im CD-Player liegt. Ich jedenfalls habe sie bereits beantwortet.

Bewertung: 7 von 10 Sternen / Spielzeit: 59:45 / Indie-Musical

Robert Heldner


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