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Cursive

Happy Hollow

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Die Welt darf ein Stückchen gerechter werden. Cursive melden sich nach drei Jahren zurück. Diesmal mit einem Konzeptalbum, dass Green Day's American Idiot in den Schatten stellt. An Intelligenz natürlich ...
"Happy Hollow" wird gemeinhin als Lebenszeichen gewertet, was natürlich völliger quatsch ist. Im Musikgeschäft ist es nicht unüblich, dass Bands ein Jahr Pause machen. Aber trotzdem hatte man Angst, Cursive könnten sich aufgelöst haben, so völlig von der Bildfläche verschwunden. Tim Kasher war mit The Good Life allerdings auch bestens beschäftigt. Jetzt, nach drei Jahren, zusammengeschrumpft auf ein Quartett, haben Cursive ein Album vorgelegt, dass in den ersten Hördurchläufen ein wenig enttäuscht. Genau das hatte man befürchtet: Cellistin weg, alles schlecht. Dabei ist "Happy Hollow" instrumentarisch sogar noch gewachsen. Überall Bläser, Klavierpassagen, Akkordeons - das lässt auf eine neue stilistische Vielfalt schließen. und tatsächlich: nach dem dritten Hördurchlauf, mit den Texten in der Hand, explodieren die Songs förmlich. Auf einmal ist es wieder da das Gefühl, das einen damals Anfang 2004 im kleinen Molotow so übermannte. Diese Energie, die dissonanten Töne, aber auch der Exzess, der ergreifende Pathos eines schreienden, wimmernden, wütenden, exaltierten Tim Kasher's - dem man in jeder Sekunde abnahm, dass er das war, in seinen Songs, in seinen "Fairy Tales". Jetzt, mit "Happy Hollow", singt Kasher vor allem über den Grundstock der amerikanischen Gesellschaft. Der Familie. Der Kirche. Der Gemeinde. Der verzweifelten Jugend zwischen Aufbegehren, wohliger Mittelstandskindheit, dem Zusammenbruch des amerikanischen Traums, dem Älterwerden in einer 60 Stunden Woche mit 2 - 3 Jobs pro Tag. Kein Wort vom bösen Präsidenten, dem Zusammenbruch der Demokratie durch einige wenige Politiker. Bei Kasher ist es die Gesellschaft selbst, die sich langsam ihr Grab schaufelt. "Dorothy At Forty" erzählt vom Verlust der Unschuld, davon, dass "we're not in dreamland anymore". Großes Thema in allen Cursive Songs des neuen Albums ist die wieder und weiter aufkeimende Religiösität. Und dennoch gesteht Kasher, dass er kein Antichrist ist. Er will die Kirche nicht zerstören. "Such delusions we all struggle with / But the beautiful truth of it is / This is all we are / We simply exist". Auch formal hat sich bei Cursive so einiges getan. Neben bereits erwähnter Instrumentierung, die zu fast orchestralen Ausbrüchen führt, ist es vor allem die Konzentration, die der Band gut getan hat. Ein Song muss packen, durchschütteln, emotionalisieren. Das tut jeder einzelne Song auf "Happy Hollow". Anders als beim famosen "Ugly Organ" braucht es aber seine Zeit, ergriffen zu werden. Dann aber lässt es nicht mehr los.


Bewertung: 8 von 10 Sternen / 49:14 / Indie-Rock

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