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Anais Mitchell | Feist

The Brightness | The Reminder

Singer/Songwriter sind wohl, neben Jazzmusikern, die einzigen Künstler, deren Zeit nie abläuft, die sich konstant den gegenwärtig so hippen Strömungen widersetzen können. Feist und Anais Mitchell sind beides Musikerinnen, deren Musik so auch schon vor mehr als 30 Jahren hätte entstehen können. Die Zeitlosigkeit ist es, die ihrer Musik erst den richtigen Glanz verleiht.

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Man stelle sich einmal vor, Feist und Mitchell würden zusammen Musik machen. Das wäre ein absurdes Experiment. Absurd deshalb, weil dabei wohl ein Grenzen definierendes Meisterwerk der akustischen Folk-Pop-Musik entstehen würde. Und soetwas bewusst miterleben zu dürfen - nun, das wäre nur absurd. Mitchells Stimme erinnert ein ums andere Mal an Joanna Newsom - leicht quakig, eingängig, neben der Spur und verführerisch wie eine hübsche Einsiedlerin. Ihr drittes Album, gleichzeitig Debüt auf Ani DiFrancos Label Righteous Babe Records, oszilliert zwischen Country und Folk, verliert sich dabei aber nie in Beliebigkeit, so wie wie das bei so vielen Songwritern passiert, die es sich in verrauchten Pubs und Hinterhofkonzertbühnen gemütlich gemacht haben. Mal sparsam und textlich überragend wie in "Shenandoah", mal sphärisch und orchestriert wie in "Changer". Hier und da also noch ein Banjo und eine Lap-Steel, fertig ist ein betörendes Akustikalbum. Ganz weit draussen, neben Nick Drake, Neil Young und - ehem - Ani DiFranco.

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Wesentlich näher am Konsens-Pop, deswegen aber keinesfalls ent-folked, musiziert Feist vor sich her. Das beginnt noch relativ unspektakulär mit "So Sorry". Ihre fast schon unheimlich perfekte Stimme haucht und flattert wohl bekannt durch die Anlage. Ja, es ist, als hätte es diese Künstlerin schon immer gegeben, diese Album könnte also gut und gern das 16. in einer endlos großen Diskographie sein. Ist es aber nicht, "The Reminder" ist erst das (dennoch mit Spannung erwartete) Zweitwerk des Broken Social Scene Sängerin. Mit "I Feel it All" bricht es dann aber doch aus Feist heraus. Was für eine Pop-Hymne ist das eigentlich? So durchdringend arrangiert, jede Klaviernote, jeder Beat bewusst und sparsam gesetzt, die Melodie in ihrer ganzen Pracht reisst den Hörer an sich und lässt nicht mehr los. Mehr Pop geht nicht mehr, da können Kyle Minogue und Madonna einpacken. "Past in Present" könnte gut und gerne mit der Bright Eyes Backing-Band (huh, ein Frevel, Mike Mogis so abzuwerten) eingespielt werden. Und alle, die an Feists Debüt "Let it Die" die Handclaps so mochten, können auch hier wieder beruht die Anlage ihres Cabrios aufreißen. Ein Sommeralbum, durch und durch. Mit jeder Geige, jeder Bossa Nova Spur, jeder gehauchten Hymne. Und spätestens bei "Intuition", mit seinem Chor und der durchdringenden Melodie, wird klar, dass Feist den Spagat geschafft hat zwischen introspektivem Underground-Folkpop und internationalem Stardom. Auf den hundert Metern, die Mitchell und Feist gegeneinander antreten, gewinnen beide auf die Hundertstelsekunde genau. Die eine, Mitchell, weil sie mit jeder Faser ihres Körpers den rauchig-melancholischen Folk verinnerlicht hat. Und Feist, weil sie beweist, dass Singer/Songwriter-Pop durchaus für die Breite Masse verfügbar sein kann und sich Folkmusiker durchaus, vielleicht besser als andere, als Role-Models eignen.


Bewertung: 7 von 10 Sternen / Spielzeit: 42:51 / Singer/Songwriter
Bewertung: 8 von 10 Sternen / Spielzeit: 42:51 / Singer/Songwriter


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