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MISC - April 2008 l #19

sellfish.de spezial: Post.Prog.Rock.Metal.Core.

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Diesmal mit:

The Amber Light | Beehoover | Children Of Bodom | Heartbreak Kid | New Found Glory | Resistance | Rush | Siena Root | Totenmond | Walls Of Jericho

Eine stilistisch etwas undankbare Rolle als „Opener“ in dieser Rubrik gestehe ich The Amber Light gerne zu. Dafür bekam die Deutsch-Britische-Kollaboration für ihr Zweitwerk zumindest prominente Starthilfe: Als Produzent von "Play" (Superball Music/SPV) fungierte Jean Michel Tourette (Wir Sind Helden), in Kürze wird man hierzulande im Vorprogramm von ...And You Will Know Us By The Trail Of Dead zu sehen sein und schließlich darf sich ihr Label Superball Music in den fähigen Händen des SPV-Vertriebs wissen. Eine perfekte Ausgangsposition also, um den poppigen Postrock-Sound dem hiesigen Independent-Publikum in die Herzen und iPods zu spielen. Wobei die Begeisterung derjenigen bescheidener ausfallen wird, welche hinter den Kompositionen nach dem ersten Hörkontakt etwas mehr Anspruch vermuten. The Amber Light verstehen es zwar, gefällige Melodien mit Ecken und Kanten auf die Tanzfläche zu hieven, im Langzeittest jedoch müssen Abstriche gemacht werden. Je nach Erwartungshaltung fällt dieses Manko nun mehr oder weniger ins Gewicht: Charmant-prägnante Songs schreiben, das können die „bernsteinfarbenen Lichter“ nämlich…

Nicht umsonst voll des Lobes waren wir im letzten Jahr angesichts des Debütalbums der Esslinger Beehoover. Welche damals lediglich als Nebenprojekt von Voodooshock starteten. Bassist Ingmar Peterson und Schlagzeuger Claus-Peter Hamisch entwarfen jedoch "zu zweit im Alleingang" einen Sound, welcher auf ganz eigene Weise an die Genrehelden und Tourpartner The Hidden Hand erinnerte. Und das Duo schnell mindestens gleichermaßen relevant wie das Hauptbetätigungsfeld machte. Der Nachfolger "Heavy Zooo" (Exile On Mainstream Records) verfolgt dieses Vorhaben nun konsequent weiter: Die Vocals des auch instrumental schlichtweg brillanten Openers "Solitude In Bloom" erinnern zum Beispiel phasenweise an frühe Faith No More. Und dank ihrer eigenwilligen Herangehensweise, dem (in diesem Fall: Stoner) Rock eine avantgardistische Seite abzugewinnen, gehen Beehoover sogar noch in einem anderen Punkt mit der Patton'schen Innovationsschmiede konform. Weiterhin gänzlich nonkonform dagegen die Herangehensweise an die zehn neuen Tracks: Typische Songschemata werden aufgebrochen, zetrümmert und schließlich dank genialer Riffs wieder in strukturierte Formen gegossen. Woraus ein Manifest des progressiven Stonerrocks entsteht, dessen internationales Niveau nicht länger ungehört bleiben darf.

Seit Jahren schon gehören Children Of Bodom zu den Senkrechtstartern der skandinavischen Modern-/Deathmetal-Szene. Und immer wieder überrascht mich, wie ausgerechnet ihre besondere Mixtur aus virtuoser Gitarrenarbeit, dem sich damit duellierenden (etwas nervigen) Keyboard-Geklimper sowie den (zugegebenermaßen) großen Refrains über ein derartiges kommerzielles Potential verfügt. Denn mangelnden Härtegrad kann man sicherlich auch den Kompositionen auf "Blooddrunk" (Spinefarm/Universal) nicht vorwerfen. Im Gegenteil. Mit ihrem mittlerweile sechsten Album steuert die Band um Ausnahme-Gitarrist Alexi Laiho vielmehr zurück – nicht nur in ihre eigene Vergangenheit. So lässt sich unter den zehn Songs (inklusive „Ghostriders In The Sky“-Coverversion) gar manches Retro-Riff finden. Klar bleibt: Hinter dem Death-/Thrash-Gewand bzw. den Synthie-Elementen stecken seit jeher packende Rocksongs; was auch so manches Rockstar-Gepose der Band während ihrer Konzerte erklärt. Diesmal dauert es angenehmerweise wieder etwas länger, bis der Schmutz an den Songs abblättert...

Es ist schon ziemlich unglaublich, welches Output sich aus dem Umfeld der verblichenen Münchner Hardcore-Institution Paint The Town Red nach wie vor entwickelt. Nach Blackout Argument waren das ja jüngst noch Death Spirit, die mit ihrer EP für meine Begriffe allerdings etwas zu routinierte Genrekost geboten hatten. Kein ungewöhnlicher Kritikpunkt an den New School-Freunden. Unter der Banner Heartbreak Kid allerdings gelang mit dem Debüt "Life Thrills" (Swell Creek/Superhero Records) eine gelungene Erweiterung des eigenen Spektrums: Gehörten Bands wie Unbroken schon lange zu den Vorbildern der Clique, macht man nun etwas Platz für Elemente in der Tradition von American Nightmare oder Blacklisted (mit welchen man sich bereits die Bühne teilte). Wohlgemerkt, ohne den eigenen Stil zu leugnen. Vor allem aber lässt das Dutzend Tracks kein Stillsitzen zu, mit solch derber Hingabe rocken sich Heartbreak Kid durch ihr höchst energetisches Repertoire. Was die Platte zum - im eingangs erwähnten Kontext - besten Release seit „Home Is Where The Hate Is“ macht.

Die Auszeit von ihrer Majorlabel-Präsenz nutzen New Found Glory auf denkbar effizienteste Weise: Mit einer verdammt konsequenten Abkehr vom modernen Emo-Pop-Punk, hin zu den eigenen Wurzeln. Und die sollten, wie man nach dem ersten Kontakt mit dieser Veröffentlichung schnell lernt, im lupenreinen Hardcore liegen. Doch damit nicht genug. Die EP "Tip Of The Iceberg" erscheint gemeinsam mit dem Album "International Super Heroes Of Hardcore" (Bridge Nine/Soulfood) als Doppel-CD, deren Gesamtspielzeit es jedoch lediglich auf eine knappe halbe Stunde bringt. Angesichts der 18 Tracks ein weiteres Indiz dafür, dass die Formation nach ihrer Zeit beim Major endgültig auch musikalisch in Hardcore-Regionen angekommen ist. Ähnlich spaßig wie No Redeeming Social Value verknüpft man dort nun musikalisch wie inhaltlich unterhaltsame Spielchen mit Genre-Klischees sowie durchaus relevante Messages zu einer druckvollen, kurzweiligen Melange. Dazu gesellen sich eine handvoll Coverversionen vom Shelter Hit "Here We Go Again" bis hin zu Perlen von Lifetime und Gorilla Biscuits. Tja, und abseits vom Opener bleibt da nicht viel Zeit, die letzten Erfolge zu reflektieren - New Found Glory steuern „in your face“… und das können die Fünf aus Florida überschenderweise verdammt gut.

Resistance aus Belgien knüppeln den althergebrachten Eurocore ihrer Heimat nieder, nur um ihn in metallisches Hoheitsgebiet zu schleppen. Dessen Koordinaten sich wiederum prima am beteiligten Personal festmachen lassen: Zwischen einer Produktion von Xavier Carion (Channel Zero), Mastering von Hatesphere’s Jacob Hansen und Gastvocals eines gewissen Ross (Length Of Time) prügelt sich "Two Sides Of A Modern World" (Alveran Records/Soulfood) seinen Weg durch Death-, Grind- bzw. Thrash-Elemente. Instrumentale Kapriolen und halsbrecherische Rhythmuswechsel übertuschen jedoch zu keiner Zeit, dass sich hier jede Menge eingängige Shouts und Hooks verbergen. Weshalb Resistance genau da Boden wettmachen, wo Job For A Cowboy und Konsorten die Aufmerksamkeitsspanne ihrer Hörer überfordern. Die röchelnden Vocals von Frontmann Xerus bleiben zwar ebenso wie die enorme Brutalität der zehn Tracks Geschmackssache. In ihrem Terrain allerdings spielen die Fünf mit diesem Zweiterk in der oberen Liga mit.

Notorische Optimisten dürfte zumindest eine Tatsache an der (hierzulande) spärlichen Live-Präsenz von Rush bzw. ihrer (vorsichtig formuliert) behutsamen Veröffentlichungspolitik gefallen: Derartig rare Ereignisse werden im Nachklang natürlich umfassend aufbereitet. Sei es nun in Form einer Live-CD, DVD oder - wie in diesem Falle - beidem. Zum Glück kann man sich bei dem Trio einer gewissen Qualität immer sicher sein. Was für "Snakes & Arrows Live" (Atlantic/Warner), welches zunächst auf Doppel-CD veröffentlicht wird, gleichermaßen zutrifft. Die beiden rappelvollen Silberlinge wurden im niederländischen Rotterdam aufgenommen und glänzen selbstverständlich in exzellenter Soundqualität. Neben reichlich Material vom neuen Longplayer dürfen natürlich diverse Klassiker („Tom Sawyer“, „The Spirit Of Radio“) ebenso wenig fehlen wie eines von Neal Pearts grandiosen Drum Solos. Insgesamt können die 27 Tracks somit durchaus als essentiell für sämtliche Freunde der Kanadier gewertet werden. Allein ob man die DVD-Edition nun noch abwartet oder gleich zuschlägt… dass bleibt der individuellen Geldbörse vorbehalten.

Siena Root sind nach wie vor ganz offensichtlich auf ihrem unkontrollierten Trip in den frühen Siebzigern hängen geblieben sind. Wobei ich bezweifeln möchte, dass die Schweden während der Glanzzeiten von Black Sabbath überhaupt schon geboren waren. Egal, das Gefühl dieser Zeit wird auf "Far From The Sun" (Record Heaven/Transubstans Records) abermals in allen Facetten gelebt: Das fängt an beim Aussehen der Musiker, geht über das Artwork der Scheibe bis hin - natürlich - zur Musik. Die könnte mehr Retro kaum sein: MC5 oder Led Zeppelin haben die Band während der Recording-Session im vergangenen Winter offenbar begleitet, anders lässt sich die Nähe zu den Größen der Rock-Historie nicht erklären. Und als wäre die Verknüpfung von Folk und Rock angesichts letzterer Vorbilder nicht der nächste logische Schritt, gibt es (nicht nur) im finalen, zehnminütigen "Long Ways From Home" natürlich noch die typischen Organ-Klänge zu hören... Und selbst wenn es Siena Root deutlich gemächlicher und ausufernder angehen lassen, sind die neun Songs durchaus für Freunde von Mother Tongue interessant. Schon weil das Wörtchen "original" hier viel besser passt als "originell"...

Totenmond waren zwischen all den unerträglichen Neue Deutsche Härte Bands immer die ganz eigenwillige Ausnahme, ihre Alben in Konsequenz und Extremität eher an Innovatoren wie Winter oder Eisenvater angelehnt. Was dazu führte, dass man im Ansehen von Metalheads oder gar Gothics stets geringer geschätzt schien, als von Liebhabern entsprechender Crust, Punk oder Doom-Töne. Eine Entwicklung, die mit der Veröffentlichung des „Auf Dem Mond Ein Feuer“ Coverversionen-Albums seinen Höhepunkt fand. Mit "Thronräuber" (Massacre Records/Soulfood) wechselt das Trio um Sänger und Gitarrist Pazzer nun erstmals seine Ausrichtung. Und wie sich das für Totemond gehört, gebührend kompromisslos. Was sich beim Erstkontakt vor allem am durchgetretenen Gaspedal festmachen lässt: Zum bewährten tonnenschweren Groovegerüst gesellen sich vermehrt Hochgeschwindigkeitspassagen, die schon im Opener „Luzifer Stampft“ beinahe Grincore-Tempo tangieren. Doch das Plus an Dynamik geht glücklicherweise nicht auf Kosten der Intensität, welche in der Vergangenheit ja durchaus anhand berstender Monotonie erzielt wurde. Insofern darf man den Beteiligten gratulieren, das altgediente Konzept gelungen einer Frischzellenkur unterzogen zu haben.

Die Anhängerschar von Walls Of Jericho durfte bzw. musste bereits einige stilistische Veränderungen im Sound ihrer Helden hinnehmen. Was umso mehr für ein Band gilt, welche sich dem Hardcore zuordnet. Eine Kategorisierung, die nach den rumpeligen Anfangstagen mit dem fett produzierten letzten Longplayer ohnehin ins Wanken geriet. Und der Nachfolger "Redemption" (Trustkill/SPV) erreicht nun eine ganz neue Ebene. Diese 23-minütige EP zeigt die Band um Frontfrau Candace Kucsulain von einer völlig neuen Seite: Ruhig, akustisch, melodisch. Cadace singt quasi ausschließlich. Da passt es durchaus, dass „No Saving Me“ (die Ballade vom Vorgänger „With Devils Amongst Us All“) hier in neuem Gewand glänzt. Spätestens mit der etwas halbgaren Coverversion von „House Of The Rising Sun“ dürften Walls Of Jericho-Anhänger jedoch völlig überfordert sein. Und schlimmstenfalls Aggressionen auf den neuen Produzenten Corey Taylor hegen. Denn das Slipknot-Mitglied wurde durchaus in den kreativen Prozess mit einbezogen und liefert beim finalen (und abermals zurückgenommenen) „Addicted“ sogar Gastvocals ab. Immerhin: Spannender dürfte das Warten auf die soundtechnische Entwicklung des nächsten Longplayers selten gewesen sein...

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