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Culm Interview

„Einfachheit zieht immer noch…“

 

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Es ist Freitag abend. Der April neigt sich dem Ende zu. Das Wetter ist längst sommerlich. Wir unterhalten uns im Biergarten der Nürnberger "Desi" mit der Post-Hardcore-Band Culm aus Rheine. Rheine, da war doch was. Genau: Sowohl die ebenfalls heute aufspielenden AM Thawn, als auch Muff Potter kommen aus dem selben Kaff. AM Thawn haben Nürnberg zuletzt zweimal im Stich gelassen. Heute fast zum dritten Mal. Einer aus der Band litt an Nierensteinen. Bräuchte eigentlich Ruhe. Ist schließlich erst eine Woche her. Aber hilft ja alles nix. Diesmal wird nicht abgesagt... Zum Interview kommen die beiden kreativen Köpfe Culms, Martin und Christoph. Der Drummer und der Sänger. Der Rest der Band hockt sich immer mal wieder kurz dazu. Man ist spät dran. Auf der Autobahn war Stau.

AM Thawn und Culm verbindet mehr als nur Freundschaft. Christoph singt bei Culm. Sein Bruder bei AM Thawn. Die nehmen gerade bei Martin ihr neues Album auf. Im bandeigenen Tanztee-Studio. Ob es die Band Culm überhaupt ohne AM Thawn in dieser Konstellation gäbe? "Auf jeden Fall", versichert Martin. "Wir kennen uns zwar schon ewig. Aber wir eifern AM Thawn nicht nach. Beziehungen haben wir durch die auch nicht. Eher im Gegenteil. Immer wenn wir mit ihnen los wollten, kamen wir zu spät oder irgendwas dazwischen." Besondere Konzerte sind das aber auf jeden Fall. "Es herrscht eine familiäre Atmosphäre" wirft Christoph in die Runde. Kein Wunder. Später vergleicht die Band ihr Treiben mit einem "Kegelverein mit coolen Leuten". Oder "Jugendlichen im Zeltlager". Auf Tour zu sein ist für sie daran das Größte. Müdigkeit scheint ein Fremdwort zu sein. "Das schockt halt. Wir wollen immer spielen", sagt Christoph. Und weiter: "Wenn heute in Nürnberg nur einer dabei ist, dem wir gefallen, dann hat sich die Sache für uns schon gelohnt." Wir glauben es ihm. So abgedroschen es auch klingen mag.

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Ihr kommt aus der selben Stadt wie Muff Potter oder?
Martin: Ja, aber die distanzieren sich ja davon. Die sind nach Münster gezogen. Und mittlerweile auch Berlin. Das ist mir eigentlich scheißegal. Ich muss nicht in irgendeiner Studentenstadt wohnen, um gute Musik zu machen. Ich muss auch nicht über die Stadt schimpfen, denn ohne die Stadt hätte ich nie Musik gemacht. Sonst wäre ich wohl abends in die Kneipe gegangen und hätte mich zugesoffen. Dann wäre ich jetzt in einem Alkoholikerheim.

Gerade eben haben Culm ihre neue Platte veröffentlicht. Auf Vinyl, mit beiliegender CD und Aufnähern. Für nur zehn Euro. "Wir haben von Anfang an alles selbst gemacht. Das mit der CD war unsere Idee. Die CDs selber kosten ja nichts. Das teuerste ist Kunststoff und Papier." Klar, dass ihnen die Preise der Konkurrenz da sauer aufstoßen: "Wenn Ich mir ansehe, wie teuer die Beatsteaks-CD ist: Das ist schon unverschämt. Die ist auch nicht super aufgemacht. Kein Gimmick dabei. Und wenn schon Gimmick, dann aber gleich so richtig teuer." Die Platte „Life In A Steel Cage Is No Life At All“ kam nun auf dem Label Miyagi Records raus. Culm mussten erstmal Überzeugungsarbeit leisten und die Platte schließlich mitfinanzieren. Martin ist dennoch hochzufrieden: "Die glauben an uns und wir glauben an sie. Es ist der Wahnsinn, was die da für Arbeit reingesteckt haben. Der Wahnsinn, was wir für Reviews bekommen. Das sind selber auch Musiker, keine Geschäftsleute. Die müssen zwar schon auch auf die Zahlen schauen. Aber es ist halt doch eine besondere Situation". Schriftlich festgehalten ist nichts. Alles nur mündliche Absprachen. Wie man das halt so macht - unter Freunden. Dass die Platte in sämtlichen Musikmagazinen gut ankommt, sehen Culm als Bestätigung. "Es ist schön, dass das den Leuten gefällt. Es muss ja nicht immer alles so toll aufgemacht sein, wie bei den ganzen Metalcore-Nummern. Einfachheit zieht immer noch. Authentisch muss es sein. Einfach. Selbst gemacht. So: Hier komm, du kannst das auch".

Martin, du hast ja ein Aufnahmestudio. Besteht da die Gefahr, dass man sich länger im Studio aufhält, als man eigentlich müsste?
Martin: Wir können uns Zeit lassen. Der Gesang dauert immer sehr lange. Wir machen sehr viele Lieder. Gehen ins Studio und nehmen die eigentlich recht schnell auf. Aber wir haben das Glück, dass wir dann sagen können: „Nee, das ist nichts. Wir machen das noch mal.“ Je länger man sich Zeit lässt, desto besser wird's eigentlich.
Christoph: Aber wir haben schon so gewisse Termine. Sonst verliert man sich im Rumgetüftel. Das ist die große Gefahr. Wir setzen uns schon ne Deadline.
Martin: Genau. Das schaffen wir dann schon immer. Nicht weil wir müssen, sondern weil wir wollen.
Christoph: Außerdem haben wir dank Martins Studio nicht wie viele andere Bands die Kohle im Hinterkopf. Wenn wir drei Tage länger bräuchten, kostet es eben nicht gleich 500 Euro mehr. Schon ein Vorteil

Findet ihr die Vergleiche, die die Musikpresse so zieht, eher schädlich oder nützlich.
Ali: Die meisten sind halt nicht so gelungen. Wir wurden ja mit Robocop Kraus verglichen. Das finde ich eher doof. Die Leute, die dann zu uns kommen, weil sie den Vergleich gelesen haben, die sind enttäuscht. Weil das einfach nicht so ist.
Christoph: Ich fand die jetzt gar nicht so unpassend. Ich finde das eigentlich ganz nützlich. Die Leute lesen was über ne unbekannte Band. Und die brauchen dann halt Vergleiche. Irgend ne Schublade muss man ja aufmachen. Was solltet ihr denn sonst auch schreiben? Hört sich ja keiner an sonst.
Martin: Ja, aber in Zeiten von MySpace gehst du einfach auf unsere Seite, hörst dir das an und machst dir selbst ein Bild. Dann brauchst du auch keine großartigen Vergleiche. MySpace ist durchaus nützlich. Ich bin persönlich kein großer Fan davon, aber für die Band ist es wirklich nicht so schlecht.

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Ich hab gelesen, dass ihr als Instrumentalband angefangen habt…
Martin:
Ja, aber nur weil wir damals keinen Sänger hatten.
Christoph: Bei der ersten EP hatten die eigentlich schon alles eingespielt. Ich wollte mir das nur mal anhören. Kenn die ja nun auch schon länger. Saß dann da mit im Studio, und so hat sich das ergeben. Ich hab einfach mal versucht zu singen. Später kam dann noch die Gitarre dazu.
Tassilo: Wenn man ab so einem bestimmten Moment nicht weitermacht – egal ob man nen Sänger hat, oder nicht, dann wird so ein Projekt nie was. Zum Glück ist Christoph dann eingestiegen.

Culm wissen ziemlich genau, was sie nicht wollen. Machen alles selbst. Trotzdem: Eine Alternative zum DIY ist auch für sie eine Option. Ihr Label Miyagi Records wird in Zukunft wohl erstmal andere Sachen veröffentlichen. „Wenn sich wer meldet, und uns das zusagt, dann machen wir was mit denen. Ansonsten machen wir es eben wieder selbst. Tut uns auch nicht weh. Wir haben mittlerweile die nötigen Beziehungen. Man lernt ja ständig Leute kennen.“ Dass sie nur für dieses eine Konzert nach Nürnberg gefahren sind, leuchtet ihnen selbst nicht ganz ein. Nach einem ähnlichen Trip nach München, schworen sie sich, so etwas nie wieder zu tun. „Aber irgendwie kriegen sie uns immer“, sagt Christoph. Und lacht. Ihre erste EP nannten sie “Release to Copy“. Eine Aufforderung zum Kopieren? „Wir sind dafür“, sagt Christoph. „Jeder der Spaß daran hat, soll das machen. Deshalb haben wir auch Vinyl und CD zusammen veröffentlicht. Wenn man dann wirklich mag, was die Musiker da so machen, dann soll man aber auch gefälligst die Platte kaufen. Zehn Euro sind ja wahrlich nicht viel.“

Hatte die Besprechung als "Demo des Monats“ in der VISIONS damals irgendwelche Auswirkungen?
Martin:
Nee, eigentlich nicht. Zumindest nicht so, dass auf einmal die Sturmflut an Bestellungen kam. Es ist eben immer sehr schwer nur über Reviews was zu machen.
Christoph: Das ging auch völlig ohne Beziehungen. Wir haben das hingeschickt, die haben sich das angehört. Und zum Demo des Monats gemacht. Für uns war das schon ein bisschen ein Highlight (lacht).
Martin: Dabei war das ja gar kein Demo. Aber egal. Die können das von mir aus auch als diverses Allerlei bezeichnen.

Findet die Gesellschaftskritik auf dem Album überhaupt einen richtigen Adressaten?
Martin:
Ich will keinen überzeugen. Nur meine Ansichten mitteilen. Wenn sich überhaupt einer die Texte durchliest, soll er auch einigermaßen anständige Texte vorfinden und nicht so „Bierdose gekauft bei Tankstelle. Super. Saufen." Für mich sind gute Texte wichtig. Gute Texte, und nicht irgendsoein Geisteswirrwarr, dass dann jeder für Kunst hält. Es sollte schon verständlich sein, um was es eventuell geht.

Gibt es Bands, die euch von Anfang inspiriert haben, oder zu denen ihr nach wie vor aufseht.
Martin: Alles Bands, die es nicht mehr gibt. Für mich sind das z.B. Born Against. So Musik, die gar nichts mit uns zu tun hat. Da ging es eher um die Einstellung, die Anfang der 90er transportiert wurde. Dieses ehrliche. Einfach mal machen. Fugazi natürlich auch. Alles in dem Stil. In erster Linie aber die Lebenseinstellung, nicht die Musik.

Was bringt die Zukunft für Culm?
Martin: Dieses Jahr im Herbst versuchen wir noch eine 7inch zu machen und auf jeden Fall SPIELEN, SPIELEN, SPIELEN. Vielleicht ergibt sich auch noch mehr. Werden wir ja dann sehen...

Interview und Text:
Sebastian Zapf


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