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MISC - Oktober 2007 l #08

Re-Releases, EPs, Verspätungen und Schönheiten

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Diesmal mit:

House & Parish | Jens Lekman | Molotov Jive | Monster Magnet | Anabel Santiago | Say Hi | Wemakemusic

Ihr aktuelles Studioalbum wurde dank seines sympathisch versponnenen Sounds zwischen Postrock und Indiepop nicht nur bei uns über den grünen Klee gelobt... Grund genug für One Little Indian, nach den positiven Reaktionen aus Europa nun auch das Debütwerk von Asobi Seksu bei uns zugänglich zu machen. Danke dafür. Denn der "Citrus" -Vorgänger erscheint tatsächlich als logische Grundlage und besitzt schon genau jene Ecken und Kanten, welche der Band – die vor einem halben Jahr hierzulande quasi aus dem Nichts auftauchte - das Prädikat "einzigartig" verlieh. Auf "Asobi Seksu" (One Little Indian/Rough Trade) agiert die amerikanisch-japanische Formation um Sängerin Yuki Chikudates sogar noch etwas rauer und direkter: Die ekstatische Eruption von "It's Too Late" hätte ich ihr kaum zugetraut. Dabei versteckt sich das Material keineswegs hinter seiner Dynamik, sondern überzeugt mit atmosphärisch dichtem Songwriting inklusive Langzeitwirkung. Der Re-Release erscheint im adäquat stilvollen Artwork samt des Bonustracks "Nefi + Girly" sowie Videoclip - und kann als perfekt Ergänzung zu "Citrus" gewertet werden.

Ein dicker Aufkleber musste es schon sein, welcher das todschicke Artwork dieser (äußerst "extended") EP auf der Frontseite ziert: Wie sonst könnte eine potentielle Fanschar Notiz davon nehmen, dass man es hier mit einer "Emo-Supergroup" zu tun hat? House & Parish entschieden sich musikalisch jedoch zum Glück gegen den einfachen Weg: Glatte Pop-Melodien und radiotaugliche Ohrwürmer lassen sich auf "One, One-Thousand" (Arctic Rodeo Records/Alive) nicht finden. Zumindest nicht auf Anhieb. Erst nach wiederholtem Hören fallen einem hinter den anfangs eher unscheinbar-zurückhaltend wirkenden sieben Tracks (plus Remix) die versponnen Harmonielinien auf. "Standardesque" beispielsweise ist so ein Fall, der im Slow-Motion-Tempo seinen Reiz - vielleicht sogar erst im Kontext der anderen Songs - entfaltet. Als Emo jedenfalls kann man das nicht bezeichnen. Eher schon Postrock. Apropos, Supergroup: Mit Ex-Promise Ring Jason Gnewikow (Gitarre), Scott Winegard von Texas Is The Reason am Bass bzw. Schlagzeuger Brian Malone (The Gloria Record) sowie dem bislang weniger bekannten The Love Scene-Frontmann John Herguth am Mikrofon sei zum Schluss noch das genannt, was wohl jede Rezension dieser halbstündigen Schönheit beinhalten muss...

Oh You're So Special, Jens: Die wunderbare Welt des Mister Jens Lekman bleibt eine ganz besondere. In der Tradition eines Morrissey croont der Schwede seine Bariton-Vocals über im einen Moment melodramatische, dann wieder wunderbar überschwängliche Stücke ins weite Land hinaus. Gerne mit synthetischem Orchester im Hintergrund, gerne mit haufenweise Gastmusikern an seiner Seite, gerne mit zutiefst persönlichen Lyrics. Und dennoch so verschroben, dass man dem Interpreten hinter den zwölf pittoresken Songs von "Night Falls Over Kortedala" (Secretly Canadian/Cargo) niemals zutrauen würde, in seiner Heimat als "sexiest man" gehuldigt worden zu sein. Schließlich atmet seine Musik einmal mehr etwas Ungreifbares: Wer ist dieser Jens? Aus welcher Welt kommt sein Sixties-Pop? Wo gräbt er seine Samples aus? Wie kann man 2007 Indie-Pop derart barock arrangieren? Viele Fragen, auf die ich keine Antwort weiß. Allein: „Night Falls Over Kortedala“ macht glücklich. Und süchtig. Dieser Künstler wird nicht in Zukunft ganz groß, er ist es schon.

Schweden, again: Molotov Jive stammen aus Karlstad, spielen Rock'n'Roll und haben bereits im ersten Jahr nach Gründung einen Showcase für Trendscouts gespielt... Wie sollte es auch anders kommen? Schließlich zählt man unter anderem Sugarplum Fairy zu seinen Freunden und wurde dererseits fleißig unterstützt. Zum Beispiel als Toursupport bei uns. Und mit ihren melodischen, dezent rockenden Tönen dürften sie leichtes Spiel bei den (zu einem nicht eben geringen Teil weiblichen) Fans gehabt haben. "When It's Over I'll Come Back Again" (Bonnier Amigo/FDI Music) heißt der erste Longplayer, welcher nun mit einem Jahr Verspätung auch bei uns veröffentlicht wird. Während dessen Spielzeit stellt sich zwar durchaus gute Laune ein, der Ruf nach Ecken und Kanten jedoch wird ignoriert. Molotov Jive mögen andere, größere Ziele haben. Welche dank ihrer „Harmonie-aus-dem-Ärmel-schüttel“-Ambitionen nicht unrealistisch sein dürften. Übrigens knackte "When It's Over..." nach den erwähnten Konzerten bei uns im Vorprogramm von Sugarplum Fairy prompt die Export-Charts. Von Marktbereinigung also keine Spur...

Dem (Drogen-)Tod gerade noch einmal von der Klippe gesprungen, raffte sich Dave Wyndorf ein weiteres Mal zu einem neuen Studioalbum - dem mittlerweile achten - auf. Und selbst wenn die fetten Jahre für Monster Magnet mittlerweile vorbei sein dürften: "4-Way Diablo" (Steamhammer/SPV) ist alles andere als die Enttäuschung, als welches es von manchen teilen der Fachpresse proklamiert wurde. So lässt man in 13 Kompositionen (darunter eine Rolling Stone-Coverversion) alle Facetten der nicht eben kurzen Diskographie aufblitzen, wenngleich das Hauptaugenmerk bei auf den Punkt gespielten, überraschend starken Rocksongs liegt (vgl. zum Beispiel den Titelsong oder das beinahe funkige „Blow Your Mind“). Diese funktionieren nicht zuletzt deswegen so gut, weil Monster Magnet dabei insgesamt endlich wieder um einiges erdiger klingen. Übermäßiger Glanz bzw. Bombast lässt sich bei den Aufnahmen nicht mehr finden. Somit stehen alle Anzeichen - sollte es tatsächlich zu den angekündigten Liveshows kommen - auf Sturm: In einer solch guten Kondition hätte man Monster Magnet wohl eher nicht zurückerwartet.

Angekündigt als Singer-Songwriter-Werk wird "Desnuda" (Nufolk/Galileo MC) zumindest diejenigen Hörer überraschen, welche hinter dem Genre immerfort melancholisch-schwedischen Schönklang erwarten. Anabel Santiago jedoch sprengt gerne Grenzen. Und so fusioniert sie schon relativ zu Beginn ihres Albums im euphorischen "Col Garrotín" Folklore und Jazz in die Musik; was im Zusammenhang mit ihrer teilweise sehr spröden Stimme durchaus für Überforderung sorgen wird. Die kulturelle Brücke zwischen unserer US-orientierten Popkultur und den stolzen südlichen EU-Partnern könnte kaum größer sein. In Spanien jedenfalls blickt Santiago auf eine beachtliche Diskographie und Anhängerschaft. Spätestes mit der eigenwilligen "Folsom Prison Blues" Adaption von Johnny Cash dürfte sich dann auch unsere Hörerschaft entschieden haben, ob sie der 26-jährigen, gebürtigen Argentinierin in ihre Welt folgen möchte. Eine interessante Erfahrung zwischen traditionellem spanischem Liedgut und Singer-Songwriter-Basis erwartet einen dort allemal.

Einen ganzen Monat nach der regulären Veröffentlichung bei uns (ähm, das war in diesem Fall übrigens nicht unsere Schuld...) sei hier noch auf das neue Album von Say Hi hingewiesen. Die bleiben auch nach der Reduzierung ihres Bandnamens um das Anhängsel "... To Your Mom" quasi das alleinige Baby von Eric Elbogen. Der singt, spielt Gitarre, zupft den Bass, programmiert und komponierte "Impeccable Blahs" (Devil Duck Records) nämlich höchstens mit sporadischer Unterstützung seiner beiden derzeitigen Mitstreiter. Wer also Konkreteres möchte, orientiert sich besser an den bisherigen Tourpartnern. Als da wären: Nada Surf, Kevin Devine oder The Wrens. Ergänzt um Namen wie Grandaddy sowie Attributen der Marke "humorvoll und ziemlich unaufdringlich" bekommt man eine ungefähre Vorstellung der zehn Tracks. Übrigens: Der umtriebige Elbogen hat in den Staaten bereits den Nachfolger veröffentlicht...

Während sich ihre Nachbarn von Jonas Goldbaum in dieser Woche auf großen Bühnen breit machen, genügt diesen Wienern ihr Wohnzimmer: Wemakemusic können sich in einem großartigen Jahr für Singer-Songwriter-Musik aus Österreich zielgenau zwischen Son Of The Velvet Rat und Clara Luzia ansiedeln. Wemakemusic, das sind Cornelia Liebhart und Christian Benedikt. Welche sich gemeinsam mit verschiedenen Musikern nicht nur die Vocals teilen. Und wenn "In A Living Room" (Monkey Music/Broken Silence) die Intensität genannter Vienna Songwriting Association-Kommilitonen noch nicht ganz erreicht, dann höchstens aus dem Grund, weil den 14 ursprünglich in Kleinstauflage erschienenen Songs noch der letzte Schliff fehlt. Was gleichermaßen einen nicht zu unterschätzenden Sympathiefaktor darstellt: Schließlich entpuppt sich das gesamte Konzept, getreu dem "quiet is the new loud"-Motto, als angenehm bedächtig. Also, selbst wenn man dem Slogan der eigenen Myspace Seite ("Record labels make us sick") mit dieser Wiederveröffentlichung nicht länger treu ist: Wemakemusic haben sich in mein Herz gedrängt. Und dazu Österreich spätestens jetzt auf meine musikalische Landkarte. File under: Horizonterweiterung.

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