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MISC - April 2008 l #16

Post.Punk.Indie.Pop.Elektro.HipHop.

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Diesmal mit:

Bastian | The Black Dog | Get Cape.Wear Cape.Fly | Gossip | Guilty Simpson | Joy Division | My Awesome Mixtape | Drumpoems Verse 1 | Germany's Next Topmodel

Davon ausgehend, dass wir das Coverartwork dieser Platte als schlechten Scherz einmal dezent außen vor lassen: Bastian hat das Zeug dazu, hierzulande zumindest beim Publikum von Kid Alex verdammt gut anzukommen. Denn sonderlich viele Unterschiede gibt es im Sound der beiden gar nicht. "IV" (Supertracks Records/Sunnymoon), kreativerweise der vierte Longplayer des Holländers, bedient sich vielmehr ziemlich exakt der gleichen Referenzen: Die dreiviertel Stunde steckt voller elektrifizierter Pop-Musik, deren Achtziger-Jahre Charme vehement mit Funk liebäugelt. Klar wirkt das Ergebnis auch deshalb ziemlich derbe auf Tanzfläche getrimmt; währenddessen ein sporadischer MC Hammer-Flow in den Vocals für Grinsen sorgt. "Done Is Done" dagegen klingt nach der Wave-Adaption eines Chili Peppers-Songs… und lässt den Spaß des Protagonisten an der Tatsache erahnen, dass er hier erstmals mit einer zehnköpfigen Band im Studio zusammen arbeitete. Die Halbwertszeit der Platte bewegt sich zwar dennoch im unteren Drehzahlbereich: Wer sich daran nicht stört trifft allerdings auf Songs, welche den Start in den Sommer akustisch gekonnt unterstützen…

Ganze 70 Minuten erstreckt sich das Sounduniversum, welches The Black Dog für ihr neues, mittlerweile neuntes Werk "Radio Scarecrow" (Soma Recordings/Rough Trade) entworfen haben. Zeit, welche durchaus bewusst investiert werden sollte. Das zweiteilige "Train By The Autobahn" mag zwar eine Reminiszenz an die Vorbild-Elektroniker von Kraftwerk sein. Letzten Endes stehen die Klanggebilde dieses Trios - neben Ken Downie gehört das Geschwisterpaar Martin und Richard Dust dazu - eher in der Tradition von kreativen Visionärenwie The Future Sound Of London. Unsere drei Briten arbeiten jedoch ohne jegliche Vocalsamples, sondern basteln die Tracks auf den ersten Blick mit eher minimalen Stilmitteln. Dass sie als eine Art "Urväter des UK Techno" gefeiert werden, mag insofern überraschen, als sich das latent melancholische Material alles andere als tanzbar erweist. Stattdessen erbringen diese 17 Tracks vielmehr den Beweis, dass auch bzw. gerade elektronische Musik für audiophile Hörer von immensem Interesse sein kann.

Elektronika-Frickelei aus dem Laptop und folk-infizierter Indie-Pop entwickeln derzeit ja nicht nur eine zunehmende Nähe zueinander, sondern sich selbst in diesem Zuge beinahe zum "nächsten großen Ding". Mit Get Cape.Wear Cape.Fly verfügt diese (eigentlich ja gar nicht so) junge Szene jedenfalls schon über ein charmantes Aushängeschild. Schließlich feierte G.C.W.C.F.-Mastermind Sam Duckworth bereits mit seinem Debüt vorsichtige Erfolge. Dank "Searching For The How's And Why's" (Inkubator/Soulfood) hat er nun auch die Songs im Repertoire, welche ihm breitere Aufmerksamkeit sichern sollten. Und dies nicht zu unrecht. Schließlich stecken da mit dem Opener "Let The Journey Begin" sowie "I Could Build You A Tower" mindestens zwei potentielle Singles im Paket; ganz zu Schweigen von dem Duett mit Presse-Liebling Kate Nash. Doch limitieren wir die Musik des Briten nicht nur auf Äußerlichkeiten: Schließlich klingt das Album für ein (weitgehend) im Alleingang entstandenes Werk geradezu eklektisch ausgefeilt, ohne dabei eine gewisse Funktionalität sowie ein (groteskes) Bandfeeling aus dem Auge zu verlieren. So organisch gelingt die Verschmelzung eingangs Erwähnter Genres jedenfalls selten. Fazit: Was hier entsteht, könnte im Windschatten der Flaming Lips oder Damon Albarns’ Eskapaden zu berechtigtem Weltruhm gelangen…

Kaum jemand dürfte sich derart spät und dazu noch so extrem vom Underground-Phänomen zum Mainstream-Thema gemausert haben, wie Beth Ditto. Ihre Band Gossip feiert derzeit – längst nicht mehr nur in der US-amerikanischen Heimat - eine Erfolgsgeschichte, wie sie vor einigen Jahren den White Stripes passierte. Klar hat man mit der voluminösen/lesbischen Fontfrau ein sympathisch non-konformes Bandzentrum. Doch das Konzept hinter Gossip kann jederzeit auch rein musikalisch bestehen: Der rohe, enorm tanzbare, eingängige Post-Punk macht Stillsitzen unmöglich und eroberte (im zweiten Anlauf als Re-Issue des im Original via Lado erschienenen „Standing In The Way Of Control“ auch bundesdeutsche Clubs. "Live In Liverpool" (Red Ink/SonyBMG) dokumentiert nun die mitreißende Bühnenenergie des Trios als schlankes Digifile in CD- und DVD-Version. Mit einer guten dreiviertel Stunde fällt das Set zwar reichlich kompakt aus... letztendlich kommen aber doch alle relevanten Highlights zum Zug - und stilistisch passt das Format ohnehin durchaus zur "Auf-den-Punkt"-Mentalität von Gossip. Im Hintergrund steht Rick Rubin als executive producer, weshalb man sich um die organische klangliche Substanz ebenfalls keine Sorgen machen muss. Insofern: Ein für Neugierige wie Fans sicherlich lohnendes Package, zumal sich unter dem guten Dutzend Tracks mit George Michael- und Aaliyah-Coverversionen sogar unveröffentlichte Vertreter befinden.

Das Unding verstümmelter Promo-CDs findet in der Labellandschaft hinter dem US HipHop bemerkenswert viele Anhänger... ob es sich dabei um die logische Konsequenz des (MP3-)Gangster Images handelt, vermag man nur zu spekulieren. Jedenfalls bleibt auch das Debütalbum von Guilty Simpson aufgrund eingefadeter Sprachsamples quasi unhörbar. Dennoch weiß der erste Eindruck von "Ode To The Ghetto" (Stone Throw/Groove Attack) durchaus zu überzeugen. Der trockene Sprachfluss des Protagonisten sowie Produktionen von J Dilla über Madlib bis hin zu Black Milk sorgen für ein roughes Soundgewand. Das gesamte Werk bringt es auf 16 Tracks... die sich so gut anlassen, dass ich nicht darüber hinweg komme, mich einmal mehr über eingangs erwähntes Phänomen zu ärgern. Fazit: Erster Eindruck super, Bewertung unmöglich.

Unsere Generation hat mittlerweile ja größere Chancen, unter dem Einfluss der wiedererstarken New Order musikalisch sozialisiert worden zu sein, als durch die ungleich bedeutsameren Joy Division. Doch eine Beschäftigung mit der Herkunftsband von Bernard Sumner lohnte schon immer... und sei beispielsweise anhand Anton Corbijns gelungenem Kinofilm "Control" noch einmal nachdrücklich ans Herz gelegt. Das auf wertige Kompilationen bedachte Label Rhino veröffentlicht nun passend dazu mit "The Best Of Joy Division" (Rhino/London/Warner) eine späte Zusammenstellung der relevantesten Tracks dieser Formation, deren Diskographie ja nur zwei reguläre Alben beinhaltet und mit dem Selbstmord ihres Sänger Ian Curtis vor ziemlich genau 28 Jahren ein jähes Ende fand. Diese, mit einem angemessen eigenwilligen Booklet-Konzept versehene, Doppel-CD vereinigt nun die essentiellen Bestandtteile der kurzen Bandhistorie von 1978 bis 1980. Dazu gehören auch acht Songs der `79er Peel Sessions, weshalb es Stücke wie "Love Will Tear Us Apart" in zwei bzw. "She's Lost Control" gar in drei Varianten zu hören gibt. Wer sich also bis jetzt nicht mit dem einzigartig düsteren Joy Division Sound - irgendwo zwischen David Bowie, Post Punk und No Wave angesiedelt - befasst hat, bekommt hiermit eine neuerliche, durchaus attraktive Chance.

Nichts weniger als die Überraschung der Woche: My Awesome Mixtape bilden das - ausgerechnet italienische (!) - Bindeglied zwischen dem progressiven Anspruch Anticon Records' sowie der subtilen, aber funky Sexyness von angesagten Formationen wie Hot Chip. Die fünfköpfigen "Bologna Geek Dancers" zelebrieren in 35 Minuten eine musikalische Vision, welche unbeeindruckt von Nerd-Klischees Laptop-Frickelei, Post-Punk und eine nicht zu leugnende Jazzyness zusammen bringen. "My Lonely And Sad Waterloo" (Dischi Dell'Amico Immaginario Records), hierzulande vorerst wohl noch ausschließlich als Import zu bekommen, kann mühelos neben dem aktuellen Why?-Longplayer bestehen. Und toppt jenes angesichts Detailverliebtheit und Layout in einigen Punkten sogar noch. Was mit Sicherheit eine Art Ritterschlag für diese junge Formation darstellen dürfte. Folgt jener nun gar noch die konsequente Emanzipation aus dem Schatten der Vorbilder, dürfte endgültig alles möglich sein. Doch schon jetzt: Eine beachtliche Platte.

Was einer Stadt wie Wien längst gelungen ist, könnte nun auch von Zürich vollbracht werden: Den eigenen Namen synonym für eine bestimmte Kategorisierung elektronischer Musik zu etablieren. Daran werkelt zumindest seit etwa drei Jahren die Drumpoet Community. Mit "Drumpoems Verse 1" (Compost Records/Groove Attack) erscheint nun erstmals ein repräsentativer Sampler, welcher musikalische Beiträge von zwölf Interpreten dieser noch jungen Szene kompiliert. Da das Ergebnis (wie die österreichischen Kollegen) im konventionellen Downbeat und House stattfindet, mag das Ganze zunächst wenig spektakulär anmuten. Doch Foster, Thabo, Quarion, Kawabata etc. machen ihre Sache gut. Dass es sich bei dem gut eineinhalbstündigen Material zudem überwiegend um unveröffentlichtes oder rares Material handelt, dürfte für den Großteil der Konsumenten angesichts des (noch) geringen Bekanntheitsgrades der Protagonisten irrelevant sein. Ungleich wichtiger dagagen, dass das Resultat zwar nicht immer innovativ, dafür in sich stimmig und angenehm wohltuend klingt…

Manchmal bringt es ja richtig Spaß, in sellfish.de offensichtlich deplatzierte Themen vorzustellen. Doch ein Sampler zur Sendung "Germany's Next Topmodel" (Ministry Of Sound) sprengt wohl auch den tolerantesten Rahmen eines "independent online music" Magazins... Es sei denn, Ihr interessiert Euch für die "Official Catwalk Hits Taken From The TV Show" - zu welchen künsterlische Highlights von so integeren Interpreten wie Rihanna, Britney Spears oder Timbaland feat. One Republic gehören. Nein? Gut, dann solltet Ihr Euch auch nicht von sporadischen Ausnahmen wie Samim oder Public Enemy beeinträchtigen lassen. Spätestens das unsägliche Booklet (samt "Autogrammen" diverser Amateurmodels sowie McFit-Gutschein) disqualifiziert die 2-CD Compilation nämlich zur – bedenklichen - Lachnummer…

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