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Kettcar

Sylt

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Mit gemischten Gefühlen hatte man die Nachricht aufgenommen, als das dritte Kettcar-Album angekündigt wurde. Zwar war der Vorgänger „Von Spatzen und Tauben, Dächern und Händen“ alles andere als ein schlechtes Album, doch die etwas merkwürdige Atmosphäre auf den folgenden ausverkauften Tourneen durch die großen Hallen des Landes, wirkte sich auch auf die Musik aus.
Songs wie „Balu“ oder „Nacht“ waren somit dem Verdacht ausgesetzt, mehr sein zu wollen, als lediglich schöne Lieder. Alles schien irgendwie zumindest ein Stück weit ausgerichtet auf den ganz großen Erfolg. Für die Band und natürlich auch für das Label. Auch wenn sich bei dieser Konstellation von Menschen natürlich jeder bescheuerte Sellout-Vorwurf verbietet, es fehlten auch ein bisschen die Ecken und Kanten der hervorragenden ersten Platte „Du und wieviel von deinen Freunden“. Deshalb also nun vor der Veröffentlichung von „Sylt“ die gemischten Gefühle und die bange Frage: Wo geht es hin mit Kettcar? Doch bereits nach dem ersten Hördurchgang wird klar: Alles wird gut! Und nach dem zehnten Durchlauf weiß man sogar, dass es richtig gut wird. „Sylt“ schafft einen ganz großen Spagat, denn das Album kann alle mitnehmen und begeistern. Sowohl diejenigen, die erst bei „48 Stunden“ eingestiegen sind, als auch diejenigen, die das Songwriting von Marcus Wiebusch schon seit „Niemand beißt die Hand, die einen füttert“ schätzen. Kettcar sind wieder rauer geworden. Musikalisch, aber vor allem textlich. Befindlichkeitsfixiert war gestern, heute wird es wieder politisch, dabei aber nicht weniger persönlich. Kettcar sind natürlich nicht ...But Alive geworden. Zum Glück. Aber die leichte Verschiebung der Fixpunkte tut der Band richtig gut. Gekuschelt wird diesmal kaum, vielmehr kracht eine Zeile wie „Lieber peinlich als authentisch / authentisch war schon Hitler“ auf einen ein. Textlich wird es natürlich nie zu konkret, aber Titel wie „Geringfügig, befristet, raus“ oder „Würde“ sprechen auch eine deutliche Sprache. Das ist nicht der Soundtrack zu Hartz IV, sondern einfach die treffende Schilderung der alltäglichen sozialen Diskriminierung in einem Land, das zu den reichsten der Welt zählt. Musikalisch hat man wieder Fahrt aufgenommen, lässt die Akustische öfter links liegen und liefert so wunderbare Stücke wie „Nullsummenspiel“ oder „Kein Außen mehr“. „Graceland“ und „Fake For Real“ erweitern den Soundkosmos der Band und zweimal gibt es sogar richtig noisige Ausbrüche, die einem nochmal ins Gedächtnis rufen, dass Gitarrist Erik Langer vor seiner Zeit bei Kettcar bei Sometree gespielt hat. Und wenn es dann doch mal balladesk wird, dann auf einem ganz neuen Niveau. „Am Tisch“ klingt nämlich als hätten sich Element Of Crime eine Hansen-B-Seite vorgenommen und dass sich Marcus Wiebusch bei diesem Lied den Gesang mit Nils Frevert teilt, ist auch mehr als nur ein nettes Detail einer rundum gelungen Platte, die so vielleicht zu erhoffen, aber nicht unbedingt zu erwarten war.

Bewertung: 8 von 10 Sternen / Spielzeit: 43:45 / Indiepop

passend zur Veröffentlichung haben wir alles am Start: Releaseparty, Gewinne usw.

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