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Polarkreis 18 Interview

Im Osten was Neues

 

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Seit Februar ist ihr Debütalbum in den Plattenläden erhältlich. Und jetzt beginnt für die jungen Wilden von Polarkreis 18 der erste ausgedehnte Festivalsommer. Eine ihrer ersten Stationen durch die Republik ist das Immergut Festival, auf dem mir eineinhalb Stunden nach der Show ein noch ziemlich unter Strom stehender, Felix Räuber - seines Zeichens Sänger der Band - begegnet. Der Auftritt in der überfüllten Zeltbühne war mitreißend, euphorisierend und hat Lust auf mehr gemacht. Die Zuhörer fanden großen Gefallen an dem kraftvollen Falsettgesang, den hohen Gitarrenwänden und vor allem den treibenden Bassläufen, die die Zeltbühne am späten Nachmittag zum Wippen brachte. Ein eindeutiges Unterscheidungsmoment zu Referenzbands, mit denen die Sachsen meist in einen Topf geworfen werden, denn ihre Musik ist sehr abwechslungsreich und tanzbar.

Bei den sechs Protagonisten ist auf jeden Fall eine gehörige Portion Potential und Leidenschaft vorhanden, die es gilt auszuschöpfen und weiterzuentwickeln. Seit 2004 treten sie unter ihrem Kälte versprühenden Namen auf und haben für eine Erst-Veröffentlichung ein beeindruckend ausgereiftes sphärisches Indiepop-Album abgeliefert. Auf der Bühne verbreiten sie dabei allerdings alles andere als ein Gefühl von frieren. In ihrer Heimat sind die sympathischen Mannen schon ziemlich beliebt und spielen jedes Jahr ein Weihnachtskonzert im vornehmen Dresdner Schauspielhaus, auf dem Immergut Festival sind sie aber zum ersten Mal, zumindest was die Präsenz auf der Bühne betrifft...

Ihr hattet heute die schwere Aufgabe als erste Band des Tages auf der Nebenbühne zu spielen. War das für euch zu früh?
Das überlassen wir natürlich in erster Linie den Veranstaltern, an welcher Position wir dran sind. Wir waren schon anfangs ein wenig skeptisch gewesen und dachten da wird niemand da sein, um uns hören zu wollen. Dann kamen wir auf die Bühne und das Zelt war brechend voll und keiner konnte mehr rein. In diesem Moment hab ich mir dann wiederum gedacht: Dann ist es egal ob man um 21 Uhr oder kurz nach sechs spielt. Okay, vom Tageslicht ist das natürlich was anders, aber das Zelt wird so oder so nicht voller und mehr Leute können dich dann auch nicht mehr hören. Es war dann total genial für uns hier zu spielen. Diese Masse an Leuten hat uns einen sehr emotionalen Flash gegeben und wir hatten alle ein großes Grinsen im Gesicht und unheimlich viel Spaß.

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Ihr seid schon eine ganze Weile auf Tour und dadurch auch sehr gut eingespielt, doch jetzt kommt mit dem langen Festivalsommer eine neue Herausforderung auf euch zu. Wie fandest du heute eure Show?
Ja, die Saison hat bereits mit drei Open Airs für uns begonnen. Der Auftritt hier auf dem Immergut, war aber mit Abstand einer der genialsten Festivalauftritte die wir jemals gegeben haben. Wir haben schon ein paar mal vor so vielen Leuten, auch bei Clubkonzerten, gespielt, aber das Ding ist, dass wir diesmal einfach nichts erwartet hatten. Wir dachten da stehen vielleicht so 500 Leute und das sieht einfach wenig aus, in so einem großen Zelt. Und dann kommen ab und zu mal paar Leute reingeschlendert, weil bestimmt die meisten noch beim Zelt aufbauen sind. Wir standen dann hinter der Bühne und hatten keinen Einblick in den Publikumsbereich. Wir kamen auf die Stage und das kickte einen dann gewaltig. Ich hoffe so geht es weiter. Wir spielen noch auf dem Melt!, dem Haldern-Pop und dem Populario Festival. Da freu ich mich schon drauf.

Hier herrscht jedes Jahr aufs Neue eine wundervolle Atmosphäre. Bleibt ihr noch?
Jaaaaa, wir bleiben noch. Wenn man soviel unterwegs ist, muss man sehr oft auf die Gesundheit achten und kann nicht sehr viel von den Festivals genießen. Das ist das einzige Festival an diesem Wochenende für uns und so können wir schön feiern und heute ordentlich trinken. Wir haben zwar auch noch beim Immergutzocken Fußballturnier Pflichten zu erfüllen, aber das ist das Wenigste.

Welche Bands willst du dir noch anschauen?
Meine Könige sind Naked Lunch, die ich gern sehen möchte und ich hoffe, dass wir beim Fußball gegen sie antreten werden. Ich liebe diese Band, seit dem neusten Album noch umso mehr. Sie sind eine unglaublich kaputte Band, die sehr viel seelischen Schmerz verkörpern und das in ihren Texten so fantastisch verarbeiten können. Dann noch Tocotronic natürlich. Die sind Pflichtprogramm, auch wenn sie nicht mehr jeder mag. Ich denke achtzig Prozent der Leute hier haben Tocotronic auf dem Immergut kennen gelernt und viele sind auch extra wegen ihnen hier (überlegt). Die Shout Out Louds. Wir haben vor paar ein Jahren mal mit ihnen in Halle (Saale) gespielt und hatten einen tollen Abend. Niemand kannte sie und niemand hat zu ihren Liedern getanzt und sie spielten damals schon „Please, Please, Please“ und jetzt läuft es im Radio rauf und runter.

Warst du schon einmal als Besucher auf dem Immergut Festival?
Ja, vor zwei Jahren (grinst). Nada Surf und Seidenmatt waren toll. Tja, uns kannte eben damals niemand und wir hatten kein Label und haben nur ab und zu in Dresden und Umgebung gespielt. Und jetzt spielen wir hier. Heute sind wir mit dem Bus rein gefahren und es war wie ein Déjá-vu, nur aus der anderen Perspektive.

Wie ist die Resonanz auf eurer bisherigen Tour, vor allem aber, wie war sie bei den zwei Konzerten Mitte Mai in Brighton und Paris?

Wir mussten wahnsinnig viele Kilometer bewältigen und sind nach dem Konzert in Paris gleich in den Bus eingestiegen und haben sofort geschlafen. Also in Frankreich einschlafen und am nächsten Morgen dann in England aufzuwachen, war krass, und es war viel Action um uns herum. Ich war vorher noch in Barcelona und bin da auch nur von einem zum anderen gerannt. Ich hatte in diesen Tagen irgendwie das Gefühl, dass ich nirgends richtig ankomme. Das ich alles nicht kapiere und ich mich nur die ganze Zeit in einem Delirium befand. Die Gigs waren dann klein, aber fein. Das war ein Clubfestival in Brighton, wo über 200 Internationale Bands gespielt haben. Jeder Veranstaltungsort hat so seine eigene PR aufgestellt und selbst die Konzerte organisiert. Wir haben in so einem kleinen Club, wo maximal 80 bis 100 Leute reinpassten, gespielt. Man kannte eben niemand und ich bekam das Gefühl, dass man dem Publikum noch mehr geben muss und wir legten uns ins Zeug dafür. Man hat nichts zu verlieren, man kann nur gewinnen am Ende. Wir haben keine großen Ansagen gemacht, sondern machten einfach nur unsere Musik. Das kam gut an.

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Wie läuft es auf dem Festland?
(lacht) In Deutschland ist die Tour bisher durchwachsen. Jedes Konzert ist eine neue Herausforderung. Die Gelassenheit vor den Auftritten wächst, und doch waren wir heute ziemlich aufgeregt. Einmal spielt irgendjemand falsch, ich sing schlecht, oder der Sound ist scheiße, oder die Leute stehen einfach nur da und bewegen sich nicht. Das passiert ständig, deshalb kann man das nie so unter einen Hut packen und jedes Mal beginnt es von vorn. Wir hatten das, wie gesagt, bei diesem Auftritt hier nicht erwartet und es ist super gelaufen. Wir ziehen in einigen Städten immer mehr Leute an und spielen stetig vor wachsendem Publikum. Das freut uns sehr und dann kennen die Leute unsere Lieder und kaufen unsere CDs immer mehr.

Wollt ihr Live genauso klingen wie auf Platte?
Klangen wir denn heute genauso wie auf Platte?

Ihr habt auf eurem Album viele Elektrobastelleihen und Streicher, das ist natürlich alles live nicht so einfach eins zu eins umzusetzen.

Genau, wir können es auch gar nicht realisieren. Wir würden es zwar gern, aber es geht nicht. In Dresden haben wir mal mit Streichern im Schauspielhaus gespielt, dass war mit Original-Hall, viel echter und monumentaler. Aber bei „normalen“ Konzerten verwenden wir die Grundelemente und der Rest ist einfach Rock.

Auf eurem aktuellen Album befinden sich Songs, die man auch schon auf der „Stellaris“ EP fand. Warum seid ihr diesen „einfachen“ Weg gegangen?
Das war damals so, dass wir einmal eine Tour mit The Dears und eine mit Kashmir gespielt haben, wir meinten wir bräuchten Material was sich schon verkaufen lässt. Unser Label riet uns dann, die EP zu veröffentlichen und auf 1 000 Stück limitieren zu lassen. Gesagt getan.

Wer übernimmt bei euch das Songwriting?
Ich hab für das Debüt Album 80% der Songs geschrieben. Mittlerweile pegelt sich es aber immer mehr ein, dass jeder in der Band am Songwriting teilnimmt. Es ist momentan jedoch noch nicht abzusehen wie viele Songs jeder Einzelne beisteuert. Wir haben für die nächste Platte schon einen Pott von ca. 20 neuen Songs geschaffen, jedoch wird noch weiter daran gearbeitet und aussortiert, sodass am Ende Qualität bleibt.

Hat sich etwas im Entstehungsprozess der Songs geändert?
Wir haben jetzt über die Jahre mehr gelernt Songs zu schreiben und wollen auch von den Kompositionen her mehr rausholen. Da ist es natürlich sehr gut, wenn sich alle daran beteiligen. Bei der ersten Platte haben wir viel auf Elektronik gesetzt und haben uns deshalb auch oftmals verloren. Im Gegensatz zu früher, schreiben wir jetzt viele Songs am Klavier. Erst danach kommen altbewehrte Qualitäten, die wir uns durch Erfahrungen beim Debüt beigebracht haben dazu.

Und wie hört sich dann die neue Platte an?
Ausgereifter. Es wird auf jeden Fall viel Pop und Hymnen geben (klingt selbst sehr beigeistert).

Interview + Text:
Robert Krupar
Fotos: Pressefreigaben


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