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Iron And Wine Interview

Ruhe Und Frieden


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Samuel Beam ist gerade mal anfang 30 und macht schon den Anschein, ganze Dekaden an Lebenserfahrung auf seinem Buckel zu tragen. Das liegt natürlich zum einen an seinem üppigen Bartwuchs, zum anderen aber auch an seiner Musik. Alles begann 2002 mit dem Lo-Fi-Album "The Creek Drank the Cradle", führte mit dem Songwriter-Kleinod "Our Endless Numbered Days" 2004 zum Indie-Weltruhm und endete vorläufig im Southern Americana Folk-Rock Epos "Shepherd's Dog" 2007. Immer beeindruckte der gebürtige Südamerikaner dabei durch eine tiefe, poetische Melancholie seiner Texte und der filigranen Arbeit an der Akustikgitarre.

Auf der großen Hauptbühne des Haldern-Pop Festivals am frühen Abend wirkt Beam allerdings etwas entrückt, fehl am Platze gar. Das, was die Leute hören wollen, kann er nicht bieten, will er nicht bieten. "Shepherd's Dog" wird fast komplett gespielt, mit einer fast zehnköpfigen Rythmusgruppe. technisch versiert, natürlich, am Ende aber fehlt etwas. Beam ist eben eher für die Clubs gedacht. Das merkt man ihm im Interview auch an: fast ein wenig schüchtern wirkt er und kann wohl immernoch nicht so recht glauben, warum ausgerechnet er nun zum Songwriter-Genie auserkoren wurde.

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Vor archaischem Hintergrund: Samuel Beam

Wo fühlst du dich zuhause?
Samuel Beam: Bei meiner Familie, egal wo wir uns aufhalten. Ich toure nie sehr lang und bin oft zuhause. Das Tourleben ist wie ein Kurzurlaub für mich. Länger als zehn Tage halte ich es unterwegs ohnehin nicht aus.

Du bist in South Carolina aufgewachsen. Wie muss man sich deine Kindheit dort vorstellen?

Es war eine ganz gewöhnliche Vorstadt-Kindheit. Es ist eine sehr kleine Universitätsstadt, ruhig und behaglich. Und einen guten Plattenladen hatten sie dort auch.

Kannst du dich an deine ersten Platten erinnern?
Ich habe eigentlich alles gekauft, was der Plattenladen gerade anpries. Aufgewachsen bin ich mit den Motown- und Country-Platten meiner Eltern. Außerdem hing ich ständig am Radio. Meine erste Smiths-Platte habe ich zu dieser Zeit gekauft, genauso wie eine Menge Skate-Punk-Platten.

Gibts es außerhalb deiner Heimat einen besonderen Platz...?
Oh ja, ich liebe das Meer. Spanien und das Mittelmeer, da gibt es Orte, an denen ich gern länger bleiben würde. Ich bin wohl ein Strandtyp.

Bist du deiner Heimat sehr verbunden? Bist du ein Patriot?
Ich liebe meine Heimat, aber ich bin kein Flaggenschwenker. Ich bin Humanist, kein Nationalist. Ich bin stolz auf meine Herkunft, nicht so sehr auf die Nation an sich.

Lokalpatriotismus spielt bei dir also keine Rolle...
Nein. Ich mag den Süden, aber egal ob Texas oder South Carolina - die Kultur ähnelt sich ohnehin immermehr.

Orte spielen in deinen Songs eine große Rolle - "Sodom, South Georgia" beispielsweise. Woher kommt das?
Städte inspirieren und beeinflussen Songs und Texte, die ich schreibe. Nie direkt, sondern unterbewusst. Kein Song von mir bewegt sich außerhalb eines bestimmten Kontextes.

Fühlst du dich auf Tour an einigen Orten ein wenig verloren?
Man kommt an vielen ungemütlichen Orten vorbei, das stimmt. Aber diese Konfrontation empfinde ich eher als positiv. Man trifft Menschen, lernt etwas über andere Kulturen und Mentalitäten.

Ein immer wiederkehrendes Element in deinen Songs ist die Zeit. Vermisst du manchmal deine Jugend, in der die Zeit einem endlos vorkommt?

Nein, ich vermisse die Zeit nicht. Ich habe definitiv schöne Erinnerungen an meine Kindheit. Aber ich liebe es, ein erwachsener Vater zu sein, Musik zu machen, Ehemann zu sein.

Nick Cave legt angeblich einen strikten Arbeitsethos an den Tag: er steht morgens auf, wenn alle zur Arbeit gehen, setzt sich an den Schreibtisch und schreibt Songs. Ein "9 to 5" Job...
...ich versuche das selbe. Zum einen, weil ich es mag, einer Arbeit nachzugehen. Zum anderen fördert es die Konzentration, die man zum Schreiben braucht. David Byrne hat mal gesagt: "If you're not at the bus stop, you never gonna catch the bus."

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Cover des 2007er Meisterwekrs "Shepherd's Dog"

Hast du manchmal Schreibblockaden?
So betrachte ich das nicht. Man muss sein Unterbewusstsein hegen und pflegen.(lacht) Sobald man etwas auf Zwang versucht, wird es meistens nichts, jedenfalls nicht im kreativen Prozess. Das wichtigste ist einfach, der Umgebung und den Geschehnissen gegenüber offen zu sein. Sicherlich gab es mal produktivere Zeiten in meinem Leben, aber allzu fertig macht mich das nicht. Der Geist, das Unbewusstsein - das ist ja keine Maschine, die man nach Lust und Laune auf Hochtouren laufen lassen kann.

Deine Alben waren eine Konstante Weiterentwicklung: vom Lo-Fi über Folk bis hin zu Americana mit mehrköpfiger Live-Band. Bist du nun an einem Punkt, an dem du dich entscheiden musst, wie es weitergeht?
So betrachte ich das ganze gar nicht. Auch hier gilt wieder: erzwingen kann man Entwicklungen nicht, zumindest nicht als Künstler. Ich lasse mich dahingehend einfach treibend und folge meiner Muse.(lächelt)

Welche Rolle spielt Religion für dich auf Tour? Kann sie manchmal das zuhause ersetzen?
Ich bin kein religiöser Mensch, auch wenn ich viel über Religion schreibe.

Für Schriftsteller wie Jack Kerouac oder Paul Auster hat die Straße, "the road", etwas verheißungsvolles. Siehst du das Touren auch als ein Prozeß der Befreiung an?
Nein, für mich ist die Zeit auf Tour vor allem ein Job. Ich muss ja Geld verdienen, ich habe eine Familie. Abgesehen davon trifft man natürlich viele Menschen, man lernt neue Perspektiven kennen. Am Ende muss ich aber immer wieder feststellen, dass sich bei all der vermeintlichen Freiheit auf Tour die Dinge, die Orte, die Geschehnisse und die Menschen doch sehr ähneln.

Die Grundfesten der USA sind seit jeher die "communities". Hast du außerhalb deiner Familie eine Gemeinschaft?
Früher war das so, heute habe ich keinen so eng gesteckten Freundeskreis mehr. Auf der Filmhochschule, die ich als Student besucht habe, war das anders. Da waren alle ein eingeschworener Kreis - wie das für das Alter und das Metier eben so üblich ist.

Warum wolltest du nie Regisseur werden?
Es ist einfach billiger, Musik zu machen.(lacht)


Interview + Text: Robert Heldner
Fotos: Offizielle Pressefreigaben


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