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Death Cab For Cutie Interview

Momentaufnahme


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Nach "Plans" hatte man ein wenig Angst um Death Cab For Cutie. Nicht, dass das Album besonders schlecht gewesen wäre. Es war bloß zu zuckrig-süß. Man konnte spüren, dass sich die Band mit dem sagenhaften Erfolg auch ein stückweit versichern wollte, dass das, was sie tun, richtig ist. Und dass sie niemanden enttäuschen wollten. Es war aber, das wissen wir jetzt, den Veränderungen geschuldet: der Erfolg, das neue Label, die Erwartungen. Damit musste die Band erstmal zurechtkommen. "Pläne" schmieden. Das ist mit "Narrow Stairs" jetzt abgeschlossen und offenbart eine Band, die sich nicht zufrieden gibt, die kratzbürstig zurückkehrt und ein mehr als abwechslungsreiches Album abliefert. Und alle Stärken der Band bündelt. Vom zuckersüßen Liebeslied bis zur sorgenvollen Rocknummer. Als das Interview mit Bassist Nick Harmer im April entsteht, gibt es das Album noch nicht zu hören. Also müssen wir ein wenig ins Blaue fragen...

Chris hat über "Narrow Stairs" gesagt, "it's weird, spectacular, creppy and contains a lot of blood". Wie nah an der Wahrheit ist das?
(lacht) Chris hat so seine eigene Art, das auszudrücken. Was er aber meint ist, dass "Narrow Stiars" wieder rauer geworden ist. Rauer als "Plans" jedenfalls.

Ihr habt also keine Drogen eingeworfen und ein Prog-Rock-Album aufgenommen?
Oh nein! Nichtmal annähernd. Es ist immernoch ein Death Cab Album. Jeder, der uns kennt, wird uns in "Narrow Stairs" auch wiedererkennen - aber auch anerkennen, dass wir uns weiterentwickelt haben.

Worin liegt diese Veränderung? Was hat euch angetrieben?
Wir wollten kein zweites "Plans". Das Album war damals in einer Zeit entstanden, die so viele Veränderungen für uns brachte. Wir schwammen auf der Erfolgswelle von "Transatlanticism", gingen zu einem Major-Label und alle fragten uns, was nun aus uns würde. "Plans" war zu dieser Zeit das bestmögliche Album. Es brachte unseren Fans ein wenig Sicherheit: sie hörten, dass Death Cab eben Death Cab bleiben würden. Es verschreckte sie nicht. "Narrow Stairs" tut genau das ein wenig. Und das macht unsere Band wieder spannend.

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Hat sich am Songwriting etwas verändert? Im Gegensatz zu "Plans"?
Oh ja. Ben hatte für das letzte Album die Demos hauptsächlich am Klavier geschrieben. Für unser neues Album verzichtete er darauf schnappte sich seine Gitarre. Und das brachte uns wieder näher zu uns selbst: wir sind nunmal eine Gitarren-Band. Und wir spielen gern verzerrt. Und wir experimentieren gern. "Weird and bloody", wie Chris schon gesagt hat. Wir sind jetzt an einem ganz anderen Punkt als früher. Als Erwachsene, als Familienmenschen, als Musiker und als Künstler. Jedes Album ist eine Momentaufnahme. Wir hätten gar nicht ein zweites "Plans" machen können, selbst wenn wir es gewollt hätten.

Habt ihr das in der Band diskutiert, oder passiert das ganz natürlich?

Teilweise haben wir schon darüber geredet, wie wir etwas verändern wollen. "Plans" zum Beispiel wurde komplett digital aufgenommen und fast methodisch zusammengefügt. Wir wollten jeden Moment perfekt gestalten. Bei "Narrow Stairs" war uns von anfang an klar, dass wir analog aufnehmen würden - live und zusammen im gleichen Raum.

War das auch eine emotionale Entscheidung? Habt ihr euch mit den Aufnahmen zu "Plans" unwohl gefühlt?
Nein, wenn es einen in der Band gab, der mit "Plans" so seine Probleme hatte, dann Chris. Es war das erste Album, das er für ein Major und für eine Menge Menschen produzierte. Bei "Plans" war er viel mehr Produzent als ein Bandmitglied. Und er sagte uns hinterher, dass er den unterhaltsamen Teil des Aufnahmeprozesse irgendwie vermisst hat - nämlich mit uns Musik zu machen. Deshalb hat er vor "Narrow Stairs" auch gleich gesagt: Jungs, ich möchte mit euch wieder Musik machen und Spaß haben im Studio, statt mich davon distanzieren zu müssen, um irgendwelche Knöpfe zu drehen.

Also hat euch diesmal jemand beim Aufnehmen geholfen?
Ja, ein Techniker, Mark Well. Wir kennen ihn schon lange. Er begleitet uns schon seit Jahren auf Tour. Er hat Chris quasi den Rücken freigehalten, damit der wieder vernünftig Musik mit uns machen konnte.

Habt ihr auch wieder die Umgebung verändert? Ich erinnere mich, dass "Plans" auf einer Farm aufgenommen wurde...
Das war zu seiner Zeit eine bewusste Entscheidung, sich von allen Familienmitgliedern und Freunden für kurze Zeit wegzubewegen und allein Musik zu machen. Das wollten wir diesmal nicht, weil es im Grunde unserem Wesen nicht entspricht. Wir brauchen unsere familiäre Umgebung, so sind alle Alben vorher ja auch entstanden. "Narrow Stairs" ist im Privatstudio unseres Drummers, Jason, entstanden. Es ist sein Studio, er hat es selbst gebaut - und dabei natürlich immer im Hinterkopf gehabt, dort auch mal Death Cab For Cutie aufzunehmen. Wir waren also vertraut mit der Umgebung.

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Wie, glaubst du, werden eure Fans auf "Narrow Stairs" reagieren? Von euch fordert man gewissermaßen ja einen bestimmten Sound und eine gewisse Grundstimmung...
Darauf nehmen wir Rücksicht, weil es ja auch unserem Wesen entspricht, diese sensiblen, anmutigen Songs zu haben. Aber unsere Fans werden hoffentlich auch bemerken, dass diese Momente groß und abenteuerlich sein können, dass man sich in "Narrow Stairs" hineinstürzen kann. Außerdem sind Bens Lyrics noch immer genauso schön wie auf "Transatlanticism" - sie haben noch immer diese cinematographische Substanz. Die Fans brauchen also keine Angst haben, dass wir uns in eine Frank Zappa Acid Jazz Band verwandeln. Das wird nie passieren.

Hat euer Label Atlantic große Augen gemacht, als ihr "I Will Possess Your Heart" als Single vorgeschlagen habt?
Wir wussten von Anfang an, dass dieser Song die erste Single sein sollte - und wir wussten auch, dass Atlantic das nicht so ganz mitmachen und den Song fürs Radio kürzen würden. Das war aber okay für uns. Sie mochten den Song und haben nicht protestiert, das hat uns gefreut. Außerdem haben sie unsere Intention dahinter verstanden. Denn "I Will Possess Your Heart" ist der perfekte Song, um "Narrow Stairs" zu umschreiben - für all diejenigen, die nicht wissen, auf was sie sich einlassen.

MTV-Schreiber James Montgomery hat über "Narrow Stairs" gesagt, dass es spektakulär sei und eure Karriere entweder beflügeln oder in den Untergang reißen wird.
(lacht) Das finde ich dann doch etwas zu dramatisch. Er ist ja schon lange großer Bewunderer der Band und es schmeichelt mir, das zu hören. Aber Recht wird er wohl nicht behalten. So radikal ist "Narrow Stairs" nun auch nicht.

Glaubst du, dass "Narrow Stairs" einen wichtigen Einschnitt bedeuten wird?
Das wird die Geschichte zeigen. Bisher hat jedes Album bedeutende Veränderungen mit sich gebracht. Unser neues Album ist aber das erste, das ohne Druck auskommt. Wir haben uns an unsere neue Umgebung, unseren neuen Status gewöhnt und konnten ganz frei aufspielen. Wir fühlen uns momentan sehr befreit und sehr selbstsicher. Das hört man dem Album glaube ich auch an.

Interview + Text: Robert Heldner
Fotos: Offizielle Pressefreigaben


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