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Isobel Campbell Interview

She & Him


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Isobel Campbell und Mark Lanegan sind kein Paar, sie sind kein vor Spannung aufgeladenes Duo wie June Carter und Johnny Cash. Auch wenn Campbell die Songs schreibt, so dominiert doch Lanegan auf einem Großteil des neuen Albums "Sunday At Devil Dirt". Das ist ein wenig schade, wo Campbell doch eine so schmeichelhafte, schöne Stimme besitzt, die sie in den 1990er Jahren bei Belle & Sebastian immer wieder der breiteren Öffentlichkeit vorführte. Überhaupt, Öffentlichkeit, das ist etwas, das Campbell wohl eher meidet - etwas, das ihr vielleicht ein wenig Angst macht. Das zeigt sich auch im Interview: gerade die intimeren Fragen werden abgeblockt. Durch eisernes Schweigen, immer wieder unterbrochen vom typisch schottisch "eehh". Am Ende muss man die Informationen aus ihr herauskitzeln. Genauso wie man sich ihr Zweitwerk, das im Mai erschienen ist, erkämpfen muss. Am Ende lohnt sich beides: sowohl Platte als auch Interview zeigen eine erstaunliche Songwriterin, mit ihren ganz eigenen Stärken und Schwächen. Jemanden, den die Musik einfach gepackt und nie wieder losgelassen hat. Bis es körperlich wird...

Dein Album hat mich etwas ratlos und verwirrt zurückgelassen. Aber auch sehr beeindruckt. Bist du selbst erschöpft von den Aufnahmen?
Isobel Campbell: Oh ja, woher weißt du das? Ich bin ausgequetscht, leer. Sehr müde. Ich habe die Aufnahmen Ende Dezember abgeschlossen und dann zwei Monate nichts Produktives mehr machen können.

Hast du dich einfach hingelegt und geschlafen...?
Genauso so. Außerdem war ja noch Weihnachten, das ist regelmäßig die Hölle. Dazu ein paar üble Partys - eine Gitarre konnte ich in dieser Zeit einfach nicht anfassen.

Das Album ist sehr sparsam und intim gehalten. War das deine Absicht?
Ich denke ja. Man zieht so den Zuhörer viel näher an sich heran.

Ist die menschliche Stimme ein besonderes Instrument?
Ich singe gern. Und ich höre Menschen gern zu. Es gibt sehr viel Schönes in der menschlichen Stimme. Man kann viel über eine Person erfahren, wenn man ihr nur beim Reden zuhört.

Könnte deine Musik überhaupt ohne Worte auskommen?
Sicherlich! Aber es wäre vollkommen andere Musik.

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Isobel Campbell

Du hast dich eingängig mit der "Anthology Of American Folk Music" von Harry Smith auseinandergesetzt. Was bedeutet dir amerikanische Folkmusik?
Es ist die Musik des Volkes, des Landes. Das gefällt mir.

Gibt es für dich eine Grenze zwischen ehrlicher Folkmusik und unehrlicher, klischeebeladener Folkmusik?
Vielleicht, keine Ahnung. Mir würde es aber auffallen, wenn ich einen cheesy Song schreiben würde. Ich würde mich schämen (lacht).

Was fasziniert dich an amerikanischer Folkmusik?
Es ist einfach ein großartiges, interessantes Land. Die Unterschiede zu Europa sind gewaltig. Mir gefällt der grenzenlose Optimismus der Amerikaner sehr.

Könntest du dort auch leben?
Wahrscheinlich ja. Ich habe schon des öfteren darüber nachgedacht. Mir hat Tucson sehr gefallen. Ein halbes Jahr Schottland, das andere halbe Jahr Tucson - das würde mir glaube ich ganz gut tun.

Wie bist du überhaupt wieder mit Mark Lanegan zusammengekommen? Hattet ihr zwischen den Alben Kontakt?
Nein, überhaupt nicht. Ich dachte er sei verdunstet, einfach vom Erdboden verschluckt. Oder zum Mond geflogen. Er hat mich einfach so angerufen, als er zufällig in Glasgow war. "Hallo Isobel, hast du Zeit ein wenig Musik zu machen?" Da habe ich natürlich nicht nein gesagt.

Hast du ihm eine neue Kollaboration angeboten? Ein weiteres Album?
Nein, da ist er von ganz allein drauf gekommen. Aber er wollte partout keine eigenen Songs schreiben. Ich fand das nicht weiter schlimm. So musste er eben meine Songs singen (lacht).

Wie schreibst du Songs? Lässt du dich von der Gegenwart inspirieren?
Ja, Stimmungen, Gefühle - das alles fließt zusammen. Manchmal laufe ich auch bloß durch die Straßen und singe vor mich hin. Das muss aussehen, als wäre ich verrückt. Aber es ist eine sehr entspannende Art und Weise, auf neue Ideen zu kommen.

Wie sehr bist du mit der Vergangenheit noch verbunden? Denkst du viel nach über die zeit mit Belle & Sebastian"?
Ich empfinde es als sehr tröstlich, sich über die Vergangenheit Gedanken zu machen. Aber lebe nicht in ihr, dafür setze ich einfach zu große Hoffnungen in die Zukunft.

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Der Mann im Hintergrund: Mark Lanegan

Die großen Duette der Folkmusik scheinen immer wieder eine klare Grenze zu ziehen: auf der einen Seite der Mann mit der starken Stimme, etwa Johnny Cash. Auf der anderen Seite die Frau, etwa June Carter, die eine eher zerbrechliche, weiche Stimme besitzt...
Aber June Carter konnte brummen und knurren, wenn sie sang. Immer wenn sie das auf einem Album macht, muss ich lachen. Es hat etwas sehr resolutes, toughes, das gefällt mir. Sie hatte sich eben nicht immer unter Kontrolle, und das hat ihr einen würdevollen, sehr menschlichen Charakter verliehen. Grundsätzlich aber ist diese Trennung zwischen männlichen und weiblichen Songwriter aber ganz normal, das liegt eben in der Natur begründet. Jemand wie June Carter musste eben etwas härter darum kämpfen, überhaupt gehört zu werden.

Hätte man deinen Songs die selbe Beachtung geschenkt, wenn du nicht mit Mark zusammengearbeitet hättest?
Das weiß ich nicht. Vielleicht nicht. Es ist jedenfalls eine große Ehre, seine Stimme auf meinem Album zu haben. Aber wenn er nicht gesungen hätte, dann hätte es eben jemand anderes gemacht. Das ist schon alles in Ordnung.

Du hast "Sally Don't You Cry" geschrieben - ein Song, den ich nicht erwartet hätte. Er hat eine sehr maskuline Perspektive...
I'm very in touch with my masculine side. Ehrlich. Ich habe viele männliche Freunde. Und ich habe den Song wohl eher an mich adressiert, als ich ihn schrieb und ein wenig traurig war. Ich wollte mir selbst Mut zusprechen, nicht weiter traurig zu sein. Wahrscheinlich habe ich mir da einen sehr netten Mann oder eine Vaterfigur vorgstellt, die mir Mut macht.

Wie siehst du einem Album-Release entgegen? Kannst du mit Kritik umgehen?
Überhaupt nicht. Letzte Woche habe ich kein Auge zu getan. Es fühlt sich wie ein eigenes Baby an. Ich will es nicht gehen lassen. Very weird.

Liest du Reviews?
Nein, überhaupt nicht. Wenn da etwas drinn stehen würde, das mich aufregt und traurig macht, würde ich das Haus nie wieder verlassen. Und irgendwann wohl verhungern...

Interview + Text: Robert Heldner
Fotos: Offizielle Pressefreigaben


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