Wegweiser durch sellfish.de

independent online music  |  info@sellfish.de

Midlake Interview

... Knopf drücken


Midlake3.jpg

Eric Nichelson wird von Mücken belagert. Ich auch. Wir starten einen kleinen Wettbewerb, wer es am längsten aushält, nicht wie wild mit den Händen vor dem eigenen Gesicht herumzuwedeln. Es funktioniert nicht. Ich verliere. Dennoch schein Eric sich hier wohl zu fühlen. „Ich mag es, wenn Festivals geradezu in der Natur stecken. Das ist der Vorteil von kleinen Festivals!“ Da muss man ihm Recht geben. Das Immergut-Festival scheint der perfekte Ort für eine Band wie Midlake. Schon deren Bandname kündet von Naturverbundenheit.

Die Bandgeschichte liest sich schnell. Eine Gruppe von Jazzstudenten aus North Texas spielt sich die Finger wund. Saxophon, Gitarre, alles was dazu gehört. In wilden Funk- und Jazzsessions spielt man sich um den Verstand und merkt dennoch bald, dass auch diese Stilrichtung ihre Limitierungen hat. Deshalb legt Songwriter Tim Smith irgendwann sein Saxophon nieder und fängt an, Popsongs zu schreiben. 2001 erscheint die EP „Milkmaid Grand Army“, 2004 dann das Debüt „Banman and Slivercork“. In diesem Jahr soll mit „The Trials of Van Occupanther“ endlich der Durchbruch geschafft werden. Wie genau es zu diesem Album kam, erklärt uns Eric Nichelson im Interview.

Ist es schwierig, einem neuen Publikum neue Songs ausgerechnet auf einem Festival das erste mal zu präsentieren?
Eric: Ach, gerade wenn man als erste Band spielt ist wahrscheinlich alles neu für die Zuschauer. Uns macht es ohnehin Spaß zu spielen, egal ob die Zuschauer die Songs kennen oder nicht. Wir versuchen, sie für uns zu gewinnen. Das ist Nachmittags natürlich nicht so einfach wie zu einem späteren Zeitpunkt auf einem Festival.

Braucht ihr denn eine besondere Atmosphäre, damit die Songs wirken und ihr euch wohlfühlt?
Ehrlich gesagt haben wir noch nie Nachmittags gespielt.

Ihr ward zuletzt mit den Flaming Lips auf Tour. War das etwas besonderes für euch?
Definitiv. Seit Anfang der Achtziger stehen wir auf diese Band. Wir haben früher sogar deren Musik gespielt, jedes ihrer Riffs gelernt. Es war schon etwas besonderes, da seinen Idolen gegenüber zu stehen. Sie haben uns sehr beeinflusst. Ich glaube das hört man unserem ersten Album auch an! Mit ihnen zu spielen war also eine große Ehre. Es sind unglaublich nette Menschen, die sich jede einzelne unserer Shows vom Bühnenrand aus angesehen haben.

Gibt es einen besonderen Unterschied zwischen europäischen und amerikanischen Festivals?
Kann ich nicht genau sagen. Das Immergut ist das erste Festival, das wir hier spielen dürfen. Es ist sehr intim, das mag ich. Die Zuschauer können jede einzelne Band sehen, die hier spielt. In Amerika ist das meistens nicht möglich, weil es haufenweise Bühnen gibt, wo alle Bands gleichzeitig spielen und tausende Fans sich hin und her schieben und alles so furchtbar groß und aufgeblasen ist. Aber das sollte man vielleicht nicht verallgemeinern. Schließlich gibt es auch hier in Deutschland die riesigen Festivals wie bei uns das Coachella.

Midlake4.jpg

Lass uns etwas über euer zweites Album reden, „The Trials of Van Occupanther“. Ich schätze schon der Titel hat Erklärungsbedarf, oder?
Ja, das stimmt. (lacht) Man hat uns gesagt, das klinge ziemlich deutsch, „Van Occupanther“. Jedenfalls kommt der Name von einem Spiel, das in der Band kursiert. Wann immer man auf fremde Menschen trifft, stellt man sich mit idiotischsten Namen vor, der einem einfällt. „Van Occunpanther“ ist aus diesem Spiel entstanden, schon vor langer Zeit, und wir dachten uns, dass es ein verdammt toller Titel für ein Album wäre. Und so haben wir eine Geschichte um diese fiktive Person herum gesponnen.

Was ist deiner Meinung nach der gravierendste Unterschied zu eurem Debüt?
Wir haben diesmal viele Keyboards und synthetische Sounds herausgelassen und es versucht so organisch und akustisch wie möglich zu halten. Das hat sich alles aus unseren musikalischen Einflüssen ergeben. Wir haben in den letzten Jahren viel 70er Jahre Folkrock gehört. Das hat sich in unser Unterbewusstsein gegraben. Fleetwood Mac oder Neil Young zum Beispiel. Es war keine bewusste Entscheidung.

Ihr habt das Album in Texas aufgenommen ...
Ja, in unserem eigenen Studio. Um ehrlich zu sein ist es eher unser Schlafzimmer, Wohnzimmer, Esszimmer. Es herrscht ziemliche Unordnung da. Zwei von uns wohnen sogar dort. Aber es ist so viel bequemer und billiger als sich in ein teures Studio einzumieten. Vor allem für unsere Art von Musik ist das nicht notwendig. Das ist natürlich zweischneidig. Man tüftelt manchmal zu lange an Ideen. Das hat sich bei „Trials“ so lange hingezogen, dass wir fast ein ganzes Jahr gebraucht haben, um unser Album aufzunehmen. Aber es hat sich für uns als wertvoll angefühlt.

Hat euch eure Heimat, Texas, beeinflusst?

Sicherlich beeinflusst einen immer der Ort, an dem man sich gerade befindet. Wir sind in Texas geboren worden, da wächst man auch mit einer bestimmten Musik auf und wird durch sie sozialisiert. Aber dem Ort selbst würde ich keine allzu große Bedeutung geben. Schließlich hat man sich bei unserem Debüt auch gewundert, dass wir aus Texas kommen. Alle dachten, wir seien eine britische Band.

Fühlt ihr euch manchmal limitiert, wenn man euch entweder eine Americana oder eine Indie-Rock-Band nennt?
Nicht wirklich. Das sind Begriffe ohne große Bedeutung. Was zur Hölle heisst schon independent? Independent from what? Ich würde uns notfalls eine klassische Folk-Rock Band nennen.

Ihr habt vorhin „Young Bride“ gespielt, eines der schönsten Stücke auf dem Album! Fehlt da die Violine Live etwas?
Ja, das tut sie. Wir haben nur die Möglichkeit, sie durch ein Sample zu ersetzen. Aber letztlich ist das okay. Es klingt nahezu identisch, sieht nur leider nicht so schön aus. Und es ist so billig, einfach nur auf einen Knopf zu drücken und das ganze abzuspielen.

Interview + Text: Robert Heldner
Fotos: sellfish.de


Zum Seitenanfang

ERROR!