Wegweiser durch sellfish.de

independent online music  |  info@sellfish.de

We Are Scientists Interview

Wagenkarren voll Geld

 

WAS7.jpg

Die seltsame Frage eines Möbelpackers brachte sie zu ihrem Bandnamen. „Are you brothers?“ - „No“ - „Are you scientists?“. Anscheinend.
So bekam die Band um Frontmann Keith Murray, die sich schon 2000 in Berkeley formiert hatte, ihren Namen. „Wir waren schon auf der Universität befreundet, haben aber nicht zusammen gespielt und auch nie darüber nachgedacht. Die waren einfach nette Leute und wir hingen miteinander rum. Nachdem wir unsere Studien abgeschlossen hatten, haben wir alle in unseren richtigen Berufen gearbeitet. Das wurde dann aber doch langweilig…“, erzählt Keith. So beschlossen die 3 Kalifornier schließlich in einer Bar, dass es wohl notwenig sei, eine eigene Band zu gründen, sofern die Songtitel, die sie sich im Laufe des Abends ausgedacht und auf einer Serviette notiert hatten, jemals als Songs das Licht der Welt erblicken sollten. An die Titel vermag sich Murray nicht mehr zu erinnern. „Die spielen wir nicht mehr“, wiegelt er ab.
Der Umzug von Kalifornien nach New York 2001, der das Zusammentreffen mit dem Möbelpacker ermöglichte, erfolgte davon abgesehen jedoch nicht aus karrieretechnischen Gründen: „Wir waren unsere ganze Studienzeit in Kalifornien und waren irgendwie drüber hinweg. Das hatte nichts mit der Band zu tun. New York ist einfach eine wirklich coole Stadt und wir dachten einfach, dass es Spaß machen würde, dorthin zu ziehen“.
Dort spielten We Are Scientists ihren ersten Gig, der in einem Hard Rock Schuppen für wenig Begeisterung sorgte und unterzeichneten schließlich einen Plattenvertrag bei Virgin. „Sie haben als erste Interesse an uns gezeigt, die anderen kamen erst viel später. Dass wir bei einem Majorlabel sind, liegt nicht nur am Geld. Die haben wirklich den Anschein erweckt, als würden sie uns und unsere Ideen mögen. Außerdem geben sie uns viele Freiheiten. Sogar mehr als wir uns erhofft hatten. Das waren die eigentlichen Gründe, weshalb wir bei Virgin sind – und natürlich die Wagenkarren voll Geld!“, scherzt Murray.
Das erste und aktuelle full- length- Album „With Love And Squalor” (=Verwahrlosung) erschien im März 2006 in Deutschland, nachdem es in Großbritannien schon ordentlich die Hype- Maschinerie durchlaufen hatte. Im Rahmen der angepriesenen Freiheiten übernahm man die Gestaltung des Covers selbst. Darauf zu sehen sind die Bandmitglieder, die ihre Gesichter mit jeweils einem Katzenbaby verdecken. „Die Kätzchen waren einfach gerade in der Nähe, sie sind in unserer Wohnung geboren. Wir haben eine fundamental- menschliche Beziehung zu süßen Babykatzen, da gibt es einfach eine natürliche Anziehungskraft. Wir sind einfach meisterhaft im Ausbeuten von Ressourcen, die sich gerade anbieten!“, prahlt Murray.

WAS6.jpg

Die Tour durch Europa ist vorerst abgeschlossen, im Sommer begleiten We Are Scientists die Arctic Monkeys durch die USA. „Nein, wir sind nicht neidisch auf die Arctic Monkeys, weil sie so erfolgreich und jung sind. Naja, doch. Ein bisschen neidisch“, räumt Murray ein. „Aber sie existieren einfach in ihrer eigenen Sphäre. Ich glaube, wir vergleichen uns einfach nicht richtig mit ihnen“, erklärt er.
„Manchmal bin ich aber neidisch auf die Editors, obwohl wir schon echt lange mit denen befreundet sind. Sie spielen zwar schon in der gleichen Liga wie wir, sind aber irgendwie besser als wir… Naja, nicht wirklich neidisch. Wir freuen uns natürlich für sie, sie sind großartig! Ich war schon immer ein großer Fan von ihnen, aber sie sind uns einfach immer einen Schritt voraus“.
Dabei haben WAS eigentlich gar keinen Grund zum Neid. Schließlich wurden sie bald nach dem Erscheinen ihres Albums von den Kritikern als diejenigen bejubelt, die einen gelungen Nachfolger für Hot Hot Heats „Make Up The Breakdown“ geliefert hätten: „Ich fand das zweite Album von Hot Hot Heat okay… Ich schätze, es hätte besser sein können, aber unser Album hätte vielleicht auch besser sein können. Trotzdem: Ich mag Hot Hot Heat und das nicht nur, weil wir mit ihnen befreundet sind. Aber es ist schon nett, dass neben ihnen bestehen zu können und sogar als Gewinner dazustehen, indem man sagt, dass wir besser seien als sie. Ha!“
Vielleicht liegt das Erfolgsgeheimnis von WAS ja im Songwriting. In der Regel schreibt Keith Murray einen Song, den er dann den Anderen vorstellt. Anschließend wird der Song einmal komplett auseinander genommen und wieder zusammengesetzt. Dieser hat dann angeblich keinerlei Ähnlichkeit mehr mit dem Ursprungslied.
Für Murray ist dies eine logische Konsequenz aus den unterschiedlichen Musikgeschmäckern: „Zwar haben wir alle einen mehr oder weniger ähnlichen Musikgeschmack, doch ich stehe schon mehr auf Pop- also nicht auf Pop- Pop, sondern so Bands wie Hot Hot Heat. Michael hört eher Experimentelles und Chris liebt Soft Pop von Céline Dion“, scherzt er.

WAS3.jpg

Keith Murray ist ohnehin zum Scherzen aufgelegt. Die Strapazen des Touralltags scheint er nicht zu spüren. Er ist hellwach, freundlich und gut gelaunt – einer von denen, die man mitnehmen und mit der Gitarre ans Sofa fesseln will. Allerdings mit dem Unterschied, dass er ach das Recht verdient hätte, einen auch noch mit seinen Geschichten zu unterhalten: „Meine Lieblingsfarbe ist ein tiefer Burgunderton. Am Besten als samtener Kissenüberzug oder übers ganze Bett gezogen. Mein ganzes Zimmer ist tief burgunderfarben. Die Möbel sind alle aus dunkler Eiche und von Kerzenlicht beschienen. Ich hab ein riesiges Bärenfell als Teppich, komischerweise hat der Bär aber zwei Köpfe- auf jeder Seite einen. Im offenen Maul eines jeden Bärenkopfes ist ein Krippenspiel. Mitten in dieser kleinen Geburtsszene, kaum zu erkennen, befindet sich noch ein kleiner Bärenvorleger, in dessen zwei Mäulern wieder jeweils ein Krippenspiel ist…“.
Eine ewig währende Karriere wird nicht angestrebt, man verlässt sich auf Plan B: „Nach dem Studium habe ich für eine Filmproduktionsfirma gearbeitet. Das hat mir sehr gut gefallen. Ich könnte mir gut vorstellen, da wieder anzufangen. Ich bin mir sicher dass wir irgendwann wieder in unsere alten Jobs zurückgehen und nicht immer weitermachen wie die Stones. Ich bemühe mich sehr mit meiner ehemaligen Chefin in Kontakt zu bleiben, damit ich sie eines Tages wieder anrufen kann und meinen Job zurückbekomme“.
WAS beschränken sich nicht nur aufs Musizieren, die Website www.wearescientists.com, auf die hiermit verwiesen sei, wird auch von der Band selbst gestaltet: „Niemand darf unsere Website anfassen, das ist Teil des Vertrags mit dem Label! Sie ist ein Urquell der Informationen. Das ist eine unserer liebsten Beschäftigungen des Band- Daseins. Alles Andere finden wir doof, wir machen das nur wegen der Website! Eines unserer Hauptthemen sind im Moment Waschbären, wir machen da eine Reportage. Die sind nicht süß! Die sind fürchterlich! Deutschland scheint regelrecht von Waschbären besessen zu sein, dauernd werde ich nach den kleinen Biestern gefragt!“
Wir wissen also Bescheid:
Katzen – gut
Waschbären – böse

Interview + Text: Ulrike Penk
Photos: Photo 1 + 3 Anja Gallert, Photo 2 Pressephoto


Zum Seitenanfang

ERROR!