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Muff Potter (Nagel) Interview

Frankie goes to Hollywood

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Unsere Reihe geht weiter. „Künstler im Plattenladen“. Klingt gut, ist gut. In unregelmäßgen Abständen wollen wir Bands dazu einladen, zwischen Vinyl und Plastik etwas abseits ihrer sonstigen Interviewthemen zu plaudern und ein paar Dinge zu Tage befördern, die sonst in Interviews keinen Platz finden. Dieses mal haben wir Nagel von Muff Potter gebeten, mit uns ein wenig über Musik im Allgemeinen, über Lieblingsbands und Erfahrungen aus der Jugend zu sprechen.


Gehst du oft in Plattenläden?

Äh, ja. Schon, aber nicht unbedingt gerne. Zweckmäßig halt, weil ich Platten haben will. Aber zum stöbern bin ich viel zu ungeduldig. Ich kann das einfach nicht haben, das Gefühl, das Superschnäppchen übersehen zu haben.

Wo gehst du zuerst hin?
Oh Gott, ich muss mich erst mal orientieren. Ein Klassiker ist es natürlich, seine eigene Band zu suchen, zu finden, zu sehen, wie viel sie kostet und sie dann nach vorne stellen. Und jetzt finde ich sie natürlich gerade nicht, na super. Normalerweise gehe ich jetzt schon gleich wieder raus aus dem Plattenladen.

Vielleicht steht ihr ja in der Deutschrock-Abteilung?
In Österreich war das in einem Geschäft so, da war ich richtig schockiert. Naja, hier ist unser Album jedenfalls auch nicht. Egal. Normalerweise kaufe ich mir in Plattenläden immer sehr neue Alben, die gerade veröffentlicht wurden. Die neue Blackmail habe ich mir zum Beispiel gekauft, die finde ich sehr gut! Und ich warte gerade auf das Solo-Album von Jenny Lewis. Wann kommt denn das raus?

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Soll heute veröffentlicht werden!
Dann kann ich mir die ja gleich kaufen. Die letzte Broken Social Scene haben sie leider auch nicht, das wäre jetzt ein echter Kaufgrund gewesen. Das tröstet mich jetzt, dass sie Broken Social Scene nicht da haben, da fühle ich mich mit meiner Band nicht so im Stich gelassen.

Hast du einen Stammladen, in dem du immer einkaufst?
Ja, bei mir ist das Green Hell in Münster. Das ist gleich bei mir um die Ecke. Aber ich hab da seit einer Ewigkeit nichts mehr gekauft.

Kannst du dich an deine erste Platte erinnern?
Smash-Hits ’84 war das. Das ist mir irgendwann abhanden gekommen, konnte es mir dann aber glücklicherweise auf einem Flohmarkt wieder kaufen. Da waren Sachen drauf wie Frankie goes to Hollywood, Nena oder Alphaville. Und eine Maxi hat ich damals geschenkt bekommen, „I just called to say I love you“. Das fand ich da schon scheiße. Neulich habe ich diese schreckliche Sendung „Formel Eins“ bei Kabel1 gesehen, da waren gerade die Jahre 84 / 85 dran und mir fiel auf, dass es genau diese Zeit war, in der ich angefangen habe, aktiv Musik zu hören.

Hast du viele Alben?
CDs ja, Platten eher weniger. Ich habe irgendwann aufgehört mir die zu kaufen, weil es einfach viel zu unhandlich ist. Guck mal da, die neue Rogue Wave, eine sehr schöne Band. Die haben wir von der Intro bekommen, weil wir bei „Platten vor Gericht“ mitgemacht haben.

Welches war denn die letzte Platte, die dich richtig vom Hocker gerissen hat?

Stars – Set Yourself on Fire. Riesen Album. Aber ich muss sagen, dass ich im letzten Jahr eigentlich keine Platte richtig gut fand. Ich fand immer nur einzelne Songs gut, egal ob Bright Eyes oder Depeche Mode.

Hast du früher viel Geld für Musik ausgegeben?
Ja, auf jedenfall. Als ich noch nicht in Münster gelebt hatte, habe ich mir meistens Platten über Mailorder bestellt, über Flight 13. Und da bekam man irgendwann ein Paket mit zehn Platten, und das schockte einfach nicht. Es ist einfach geil in die Stadt zu gehen, sich ein Album zu kaufen, die in der Tasche zu haben und damit nach Hause zu laufen um sie anzuhören. Sich dem ganzen zu widmen ist schön. Und nicht gleich zehn Alben auf einmal und dann nur in jedes mal reinhören.

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Wollen wir mal Bands dissen?
Oh ja, das kann ich gut!

Kettcar?
Hör bloß auf, das hab ich in der Visions gemacht. Ich wusste nicht, dass die das abdrucken. Und jetzt hängt der Haussegen schief. Ich würde ja zur Wiedergutmachung das Album jetzt kaufen, aber die haben nur ne Maxi da. Ganz schön unterrepräsentiert das alles hier. Aber da, die Lokalbands sind natürlich dabei: Robocop Kraus, Hidalgo. Wo waren wir stehen geblieben?

Bands dissen!
Ach ja.


Irgendwelche schrecklichen Bands aus der England-Welle letztes Jahr?
Ich weiß nicht, ich bin irgendwie so ein Produktionsfan geworden, mit ganz trashig aufgenommenen Alben kann ich nicht mehr viel anfangen. Libertines zum Beispiel fand ich immer scheußlich. Und Babyshambles berühren mich überhaupt nicht. Und wo wir gerade dabei sind: Art Brut finde ich richtig zum kotzen. Ich habe die im Gleis gesehen, weil Ben Lee im Vorprogramm war. Ben Lee super, und Art Brut einfach ne Schülerband. Scheiße gezockt, scheiß Lieder und nen kultigen Oberlippenbart. Aber das kann es ja nicht sein oder? Das ist halt einfach Fashion-Musik.

Wenn du auf ausproduzierte Musik stehst, müsstest du ja die letzte Death Cab For Cutie ganz toll finden!?
Ja, die ist super. Wenn man sie ganz durchhört, fühlt man sich etwas überzuckert. Liegt wahrscheinlich auch etwas an seiner Stimme.

Kommst du eigentlich noch dazu, richtig ausgiebig Musik zu hören?
Nein, das letzte Jahr habe ich so wenig Musik gehört wie seit 1984 nicht mehr. Aber das finde ich auf der anderen Seite auch ganz gut eigentlich. Das schränkt einen dann nicht so dabei ein, eigene Lieder zu schreiben.

Glaubst du das Musik im quasi luftleeren Raum entstehen könnte? So völlig ohne Referenzen, auf die sie sich bezieht?
Nein, das würde nicht funktionieren. Ich bin vielleicht etwas altbacken, aber mir sind Texte unglaublich wichtig. Das macht eine Band, finde ich, immer erst zu einer richtig guten Band. Und Texte können nie völlig losgelöst entstehen, die reagieren ja immer auf etwas.

Interview + Text: Robert Heldner
Fotos 2 und 3:
Sebastian Gloser (mehr Fotos)


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